Thor (Teil 5) - Urd
Urd
Von Zissy M. Baumann
***
Es war bereits fortgeschrittener morgen, als Freya in Lokis Armen erwachte. Nackt wie sie war, lag sie halb auf seinem ebenso nackten Oberkörper und hatte ruhig geschlafen. Loki hatte ihr sachte über ihren Rücken gestrichen, während er darüber nachgedacht hatte, wann er sich zum ersten Mal sicher über seine Gefühle zu ihr gewesen war. Freya hatte die ganze Zeit in seinen Armen gelegen und geschlafen.
Er ahnte, dass es ein jähes Ende geben würde, sobald sie erwachte und darum hatte er sich nicht die Mühe gemacht sie zu wecken.
Doch nun regte sich seine kleine Prinzessin sachte. Ohne sich groß zu bewegen, verlagerte er seine Position soweit, dass er ihr beim Aufwachen zusehen konnte. Ihre Lieder flimmerten leicht und ihre Stupsnase wackelte unmerklich, fast so als würde sie etwas Leckeres riechen. Unwillkürlich musste er lächeln.
Schließlich öffneten sich ihre Lieder und ihre grünen Augen versuchten sich an das Licht anzupassen und ihr Gehirn an die Umgebung zu erinnern. Die Erkenntnis dessen wo sie sich befand, was in der gestrigen Nacht geschehen war und auf wessen nacktem Oberkörper ihr Kopf ruhte, traf sie wie ein Faustschlag und sofort war die Asen-Göttin der Liebe und Schönheit hellwach.
Ruckartig richtete sich auf und sah entgeistert in das Gesicht ihres Cousins und jüngsten Sohn Odins.
"Was zum Teufel...", begann sie und endete abrupt als ihr bewusst wurde, dass sie nichts trug und sie völlig entblößt bei ihm lag. Hastig ergriff sie die Bettdecke und zog sie bis zu ihrem Kinn hoch. "Wir haben wirklich...? Das war kein Traum...?", stammelte sie fast panisch und rutschte so weit weg wie sie konnte. Dann endlich traf sie einen Entschluss, und der lautete: nichts wie weg von hier!
Loki sagte gar nichts und seine Mine war gelassen und sogar ein wenig selbst zufrieden, während Freya aus dem Bett sprang. Er verschränkte sogar die arme hinter seinem Kopf, hatte er doch genau das geahnt gehabt.
Freya hatte die Bettdecke mit sich gerissen und suchte fieberhaft nach dem Kleid, welches sie am Abend zuvor noch getragen hatte. Dabei achtete sie peinlich genau darauf ihre Blöße vor Loki zu verdecken und ihren Blick nicht auf eben jenen zu richten, der vollkommen nackt, ohne Bettdecke, mit verschränkten Armen und einem amüsierten grinsen im Bett lag und ihr zusah.
"Verdammt", grummelte sie, als ihr klar wurde, dass sie keine Ahnung hatte wo ihr Kleid war. Sie blieb kurz stehen und sah in irgendeine ferne, als sie die Bettdecke fester ergriff und etwas zu beschließen schien. "Ich brauche deine Bettdecke", erklärte sie und ging ohne einen letzten Blick auf Loki zu werfen in Richtung seiner Zimmertür davon.
"Klar, tu das", winkte Loki ihr mit einem amüsierten grinsen zu, schwang seine Beine über die Bettkante und streckte sich ungeniert. "Vergiss aber nicht die Bettdecke wieder zurück zu bringen", meinte er entspannt und fügte mit einem leichten lächeln hinzu: "Oh, und wenn du mein Zimmermädchen beim Hinausgehen siehst, sage ihr bitte, dass sie mich nicht stören soll. Danke."
Mitten in ihrer Bewegung erstarrte Freya, als in ihr Bewusstsein sickerte, was Loki gerade gesagt hatte.
"Was...?", fragte sie verwirrt.
"Na, das Zimmermädchen. Sie müsste demnächst da sein", erklärte er so gelassen wie er nur konnte und deutete mit einem Zeigefinger auf sein Stundenglas auf dem Schreibtisch um ihr zu zeigen wie spät es bereits war.
Es war für Freya unmöglich geworden, jetzt sein Zimmer zu verlassen. Nicht nur, dass sie in das besagte Mädchen hinein laufen könnte, nein auch andere würden auf dem Gang herumlaufen und sich fragen woher Freya kam und warum sie nur eine Bettdecke trug. Diese Blöße konnte und wollte sie sich auf gar keinen Fall geben.
"Was ist los?", fragte Loki in gespieltem verwirren. Und drehte sich zu ihr um.
Freya unterdrückte den Impuls ihn zornfunkelnd ansehen zu wollen. "Das hast du alles geplant!", schimpfte sie und ballte ihre Hände zu Fäusten.
"Was? Dass du lange schlafen wirst und du dich nicht mehr getraust in dein eigenes Schlafgemach zu gehen?" Loki dachte kurz nach und meinte dann: "So viel Macht gestehst du mir zu, dass ich all das geplant haben soll? Ich bin geschmeichelt."
"Brauchst du nicht!", zischte sie und sah ihn Böse an. Im selben Moment verfluchte sie sich dafür.
Loki machte sich nicht die Mühe seine Nacktheit zu verbergen. Warum auch? Was ihn anbelangte war der letzte Abend etwas gewesen, von dem er schon so lange geträumt hatte. Sie waren sich körperlich näher bekommen, wie noch nie zuvor und warum sollte er sich jetzt bedecken? Er wollte sich nicht mehr verstecken, zumindest nicht vor ihr.
Freya wollte es nicht, aber sie gestand sich selbst ein, dass Loki wirklich gut gebaut war. Natürlich konnte sie sich noch an alles erinnern was in der letzten Nacht geschehen war, aber sie war vielleicht auch nicht ganz zurechnungsfähig gewesen als sie seinen Körper gesehen hatte.
Jetzt im Licht der späten Morgensonne, konnte sie alles nur genauer erkennen.
Er war groß und schlaksig, aber trotzdem sehnig und muskulös. Lange nicht so wie Thor, Fandral oder Hogun, aber trotzdem muskulös genug um Freya anzutörnen. Seine Haut war bleicher als die von so gut wie jedem anderen Mann in Asgard, den Freya kannte und seine dunklen Haare unterstrichen dies umso mehr. Apropos Haare, Freya stellte auch fest, dass Loki keine Brustbehaarung hatte und sich ab seinem Nabel nur eine ganz leichte, kaum erkennbare Spur von Härchen ihren weg zu seinen Lenden bahnte. Die Menschen auf Midgard nannten das eine Liebesstraße. 'Wie passend', dachte Freya verträumt und verkrampfte sich augenblicklich, als ihr bewusst wurde, dass Loki sie wissend angrinste. So als habe er ihre Gedanken erraten.
Ihre Wangen wurden rot, dafür musste sie nicht einmal in einem Spiegel sehen um das zu wissen. Sie wandte ihren Blick ab und richtete ihn auf den Boden vor ihren Füßen. "Und jetzt? Was mache ich jetzt?", fragte sie Hilfe suchend den Boden.
"Du kannst hier schlafen wenn du möchtest", meinte Loki mit kaum zu unterdrückenden Spott in seiner Stimme. Dabei stellte Freya fest, dass er sich bückte um etwas aufzuheben und dann von ihr abwandte. Er schien zum Bad zu gehen.
"Übrigens, ich habe dein Kleid gefunden", stellte er fest und Freya sah erleichtert auf.
Nur um mit anzusehen wie er ihr Kleid mit einer lockeren Handbewegung aus dem Fenster warf.
"Was tust du da?", fragte Freya lauter als eigentlich beabsichtigt. Sie kam nicht umhin festzustellen, dass sie sich panisch angehört hatte.
Sie packte ihr provisorisches Bettdeckenkleid und spurtete hinter Loki her, um aus dem Fenster zu sehen.
Loki kicherte doch tatsächlich und blieb an der Durchgangstüre zum Bad stehen. Mit verschränkten Armen lehnte er an den Türrahmen und beobachtete Freya amüsiert.
Am Fenster angelangt, sah sie wie ihr Kleid nach unten zum Boden segelte und damit endgültig aus ihrer Reichweite war.
"Du Mistkerl", rief sie und drehte sich ruckartig zu ihm um.
Sie sah nur noch, wie Loki sein Grinsen verlor und die Hände abwehrend hoch hielt, als sie ich auf ihn stürzte.
Für Freya war die Landung auf dem kalten Fließen Boden des Bads angenehm, landete sie doch auf Loki. Doch Loki verzog schmerzhaft das Gesicht, als er mit dem nackten Rücken auf den Boden krachte und Freyas Gewicht ihn nieder drückte.
"Wie soll ich aus diesem Zimmer jemals rauskommen, wenn ich nicht einmal meine eigene Kleidung tragen kann? Der ganze Palast wird tuscheln!", erklärte Freya hysterisch und wollte ihre erhobene Faust auf sein ebenmäßiges Gesicht niederfahren lassen. Doch Loki packte ihre Handgelenke und drehte sie schneller auf den Rücken als sie blinzeln konnte. Jetzt lag sie auf dem Rücken und auf ihr der, noch immer nackte, Loki. Ihre beiden Körper wurden nur durch die Bettdecke voneinander getrennt. Freya wünschte, sie hätte ihre Selbstkontrolle besser im Griff gehabt und wäre gar nicht erst auf ihn zugestürmt.
"Und schon wieder liegst du unter mir", erklärte Loki mit einem süffisanten grinsen. Freya lief leicht rot an, zum zweiten Mal an diesem Tag, und versuchte ihre Arme aus seinem Griff zu befreien. Doch ohne Erfolg.
"Lass mich los", bat Freya so ruhig sie konnte. Doch Lokis Mundwinkel zuckten nur verdächtig amüsiert. "Was bekomme ich dafür?", fragte er leise. Sie hatte aufschreien können, spielte Loki doch nur wieder sein altbekanntes Spiel: ich-mache-nur-etwas-wenn-ich-dafür-etwas-bekomme. Diesmal hatte sie keinerlei Lust darauf einzugehen. Überhaupt hatte er durch diese Taktik viel zu viel Macht über sie. Freya wollte ihm diese Macht nicht mehr gewähren.
"Lass mich los, oder ich werde dir etwas dafür geben, das du nicht haben willst", drohte sie ihm noch immer so ruhig wie möglich.
Sein lächeln wich nicht eine Sekunde lang. Im Gegenteil, er lehnte sich zu ihr runter und flüsterte in ihr Ohr: "Was soll das sein?" Er zog seinen Kopf gerade so weit von ihr weg, dass er ihr Gesicht sehen konnte, um ihre Reaktion nicht zu verpassen.
Sie lächelte und das hätte ihm bereits eine Warnung sein sollen.
"Das hier", sagte sie und bevor er reagieren konnte, schnellte ihr Kopf nach vorne und traf sein Gesicht. Seine Nase, um genauer zu sein.
Loki verzog augenblicklich das Gesicht vor Schmerzen und lies ihre Handgelenke los, um sich an seine Nase zu fassen. Freya dagegen, der zwar der Kopf vom Aufprall dröhnte, ergriff ihre Chance und stieß ihn von sich herunter um fliehen zu können. Das heißt, sie wollte ihn von sich stoßen.
Sie hatte ihre Hände auf seinen Oberkörper gelegt und hatte auch kräftig zugedrückt, aber Loki hatte sich bereits wieder soweit gefangen, dass er ihr keine Gelegenheit mehr dazu gab. Es reichte lediglich, seinen Unterkörper fester an sie zu pressen, wodurch ihre Beine etwa gespreizt wurden.
Die Bettdecke war nicht dick genug, um seine Erregung zu verbergen und Freya war sensibel genug um davon so abgelenkt zu werden, dass ihre Kraft in den Armen schwand. Sie stöhnte sogar überrascht auf.
In Lokis Gesicht trat wieder sein amüsiertes grinsen auf, als sein Plan erfolgreich aufging. Er hatte alle Zeit der Welt um Freyas Handgelenke ein weiteres Mal zu ergreifen. In ihrem Gesicht standen alle Gefühle geschrieben. Es gab keine Möglichkeit sie zu verbergen.
Ihre Augen waren glasig, ihre Pupillen erweitert, ihre Wangen gerötet, ihre Lippen leicht geöffnet und ihre Atmung ging plötzlich schneller. Freya verfluchte wieder einmal ihren Körper. Loki wusste um ihren inneren Kampf, aber die Tatsache, dass so eine Kleinigkeit sie so aus der Fassung brachte, amüsierte ihn viel mehr. Er machte eine gedankliche Notiz für die Zukunft.
"Wie ich bereits sagte, du kannst hier schlafen wenn du möchtest", meinte er leise und hauchte noch dazu: "Mit mir." Dabei rieb er seinen Unterleib verlangend an dem ihren. Freya wollte protestieren, aber alle Gedanken waren wie weggewischt, als er sich begann zu bewegen.
Eigentlich sollte sie sich wehren, protestieren oder aus seinem Griff winden, aber wieder einmal tat ihr Körper etwas ganz anderes. Langsam schien sie sich zu entspannen und zu seinem steten Rhythmus anzupassen. Wenn sie nicht bald etwas unternahm, würde sie sich ihm hingeben und im Zweifelsfall vom Zimmermädchen erwischt werden.
Dieser Gedanke war alles was sie benötigt hatte. Sofort spürte sie ihre Erregung ab branden. Es fühlte sich so an, als wäre sie bereits jetzt erwischt worden.
Freya nahm all ihre Kraft zusammen und schaffte es mit ihrem Körper, Loki seitlich von sich zu hieven. Dieser war so damit beschäftigt gewesen, Freya nicht freizugeben, dass er den Griff um ihre Handgelenke ein wenig lockerte. Zu seinem Missmut genau so weit, dass sie sich einfach von ihm losreißen konnte.
Binnen weniger Sekunden war Freya frei und verlies nicht nur den Boden, sondern auch sein Badezimmer.
Loki wusste wann er verloren hatte und machte keinerlei Anstalten ihr zu folgen. Stattdessen blieb er einfach liegen wo er war, auf dem Rücken und mit den Armen wieder einmal hinter dem Kopf verschränkt. Das einzige was seine Erregung verdeckte, war seine Bettdecke, die Freya nicht mitnehmen konnte, weil er nun zum Teil darauf lag.
Sie wollte so dringend aus seiner Reichweite weg, dass sie nun nackt in seinem Zimmer stand, mit dem Rücken zu ihm. Sie wusste, dass sie ihre Blöße nicht mehr verdecken konnte, aber das war lange nicht so schlimm wie noch einmal Loki nachzugeben. Jetzt musste sie erst einmal einen Weg finden dieses Zimmer ohne Aufsehen zu erregen, zu verlassen.
Hinter sich hörte sie, wie Loki sich aufrichtete und sie sprang herum um ihn von irgendetwas abzuhalten. Doch er hob seine rechte Hand um sie zu beruhigen und mit der linken hielt er die Bettdecke fest, die er um seine Lenden gewickelt hatte. "Ganz ruhig, ich will nur duschen", erklärte er. Doch seine Augen glitzerten als er sie ungeniert betrachtete.
Freya lief zwar rot an, aber sie verschränkte ihren linken Arm vor der Brust und hielt die andere Hand vor ihren Schambereich. "Geh duschen, lass mich in Ruhe", zischte sie und sah mit Erleichterung, dass er sich von ihr abwandte und Richtung Dusche ging.
Jetzt war sie alleine in Zimmer. Das Rauschen des Wasserhahns bedeutete, dass sie für wenige Minuten alleine war. Diese Zeit nutzte sie und rannte zum Kleiderschrank von Loki, um sich Hose und Hemd zu borgen.
Zum Glück war es nicht unüblich, dass sie Männerkleidung trug. Das einzige, das etwas schwierig werden konnte war, dass Lokis Sachen nicht passten oder ihr zu weit waren. Ihre eigenen Sachen waren immer maßgeschneidert. Nach wenigen Minuten fand sie was sie suchte. Eine schwarze Lederhose und ein grünes Leinenhemd.
Glück für sie, dass Loki nicht so breit gebaut war wie Thor, trotzdem war die Lederhose zu lang und das Hemd zu weit. Sie hoffte einfach, niemandem zu begegnen und wenn, dann wenigstens nicht lange genug um aufzufallen.
Freya öffnete die Türe gerade soweit, dass sie nach draußen spähen konnte. Da sie weder jemanden hörte, noch jemanden sah, schlich sie nach draußen.
Auf ihrem Weg in ihr Zimmer traf sie glücklicherweise niemanden und daher atmete sie tief ein und aus, als hinter ihr ihre Türe ins schloss fiel.
Zu dem Zeitpunkt als Loki seine Zimmertür ins Schloss fallen hörte, wusste er, dass Freya weg war. Tief in ihm hatte er gehofft, dass sie vielleicht nicht gehen würde und ein wahnwitziger Teil von ihm hatte sogar gehofft, dass sie zu ihm in die Dusche kommen würde, aber am Ende tat sie doch genau das, was er wusste, was sie tun würde. Nämlich das einzig richtige. Für sie selbst und auch für ihn.
Ja, er liebte sie mehr als er jemals irgendjemanden lieben könnte, aber er mochte sich nicht ausmalen was sein Vater, der Allvater, dazu sagen würde, sollten sie beide erwischt werden. Immerhin waren sie Cousin und Cousine.
Mit einem seufzen sah Loki unter der Dusche an sich hinab.
Sein kleines Spiel auf dem Badezimmerboden hatte ihn mehr stimuliert als er beabsichtigt hatte und jetzt blieb ihm keine andere Möglichkeit, als selbst Hand anzulegen. Kalt duschen brachte bei ihm überhaupt nichts. Das wusste er seit seiner Pubertät.
***
Freya hatte sich zuerst einmal geduscht und anschließend etwas angezogen. Obwohl sie inzwischen Kleider mochte und ihre Reize gerne zur Geltung brachte, hatte sie sich bewusst für ein hochgeschlossenes Kleid entschieden. Es war hellblau und an den Trompetenärmeln war weise spitze angenäht. Ebenso an ihrem Halskragen und am Rocksaum. Das Kleid war schön, aber etwas Unübliches für Freya. Seitdem sie es besaß, hatte sie es erst einmal getragen. Jetzt hatte sie das Bedürfnis so wenig wie möglich aufzufallen.
Anschließend wollte sie ihr Zimmer verlassen und sich der Welt zeigen, um zu beweisen, dass sie noch da war. Aber das hatte zu der Frage geführt, wo sie am Vormittag gewesen war. Diese Frage konnte sie nicht beantworten, ohne zu lügen. Und das wollte sie nicht.
Daher blieb sie bis zum Abendessen in ihrem Gemach.
Sie freute sich darauf beim Essen mal wieder jemanden zu sehen, aber sie fürchtete Fragen und vor allem den Anblick von Loki.
Doch dieser war (noch) nicht da als Freya den Speisesaal betrat.
"Ich habe dich schon vermisst", kam die besorgt klingende Stimme ihrer Tante Frigga, als diese Freya gewahr wurde. Freya lächelte entschuldigend, sagte aber nichts. Da auch ihre Tante nicht weiter nachfragte, war wohl damit alles geklärt.
Leider blieb das Abendessen zu Freyas Leidwesen nicht Loki-frei, den er erschien gerade in dem Moment als der Allvater sich setzen wollte und das Abendessen für eröffnet erklärte. Er entschuldigte sich damit, dass er die Zeit beim Lesen aus den Augen verloren hatte und damit war auch alles geklärt. Obwohl Freya bezweifelte, dass er gelesen hatte, sagte sie nichts. Sie wollte keinerlei Aufmerksamkeit auf sich lenken.
Zum Glück für sie dominierte Thor das Gespräch beim Abendessen. Sogar Loki warf das eine oder andere ein.
Freya hörte nicht zu und richtete ihren Blick auf ihren Teller. Sie dachte nur daran nicht angesprochen zu werden. Und genau in dem Moment stieß Loki ihre rechte Hand an und holte sie aus ihren Gedanken.
Im ersten Moment wollte sie ihn anfauchen, aber dann wurde ihr bewusst, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren. Erschrocken riss sie ihren Kopf hoch. „Was..?“, fragte sie verwirrt und hoffte inbrünstig nicht vielleicht laut gedacht zu haben.
„Ich sagte, du wirst morgen beim Empfang des Botschafters aus Nornheim zugegen sein, nicht wahr?“, meinte der Allvater wiederholend und dabei konnte er kaum seine strenge aus seiner Stimme verbannen. Freya runzelte nachdenklich die Stirn und überlegte krampfhaft. Ihre Tante beobachtete sie mit Besorgnis aber Thor erkannte die Situation. „Sie hat gar nicht zugehört“, meinte er mit einer wegwerfenden Handbewegung und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Teller.
„Vater hat davon berichtet, dass heute ein Bote aus Nornheim bei ihm vorstellig wurde. Wie du sicher auch mitbekommen hast, liegen die Nornen mit den Wannen im Krieg und den will Vater auf friedliche Weise beilegen. Darum kommt morgen ein Botschafter vorbei und hört sich an was der Allvater zu sagen hat“, erklärte Loki und wurde von Thor brausend unterbrochen: „Ich denke immer noch, dass wir die Waffen ergreifen sollten und den Nornen ein für alle Mal klarmachen sollten, dass sie nichts in Wanenheim zu suchen haben!“
Schon war alle Aufmerksamkeit wieder auf Thor gerichtet.
Der Allvater runzelte unwillig die Stirn. „Und ich denke, dass wir immer zuerst eine friedliche Lösung anstreben sollten, bevor wir uns einmischen“, erklärte er seinem erstgeborenen Sohn. Thor öffnete den Mund aber sein Vater erhob warnend einen Zeigefinger und fügte hinzu: „Du solltest morgen gut zusehen und lernen wenn du bald meinen Platz einnehmen willst.“ Thor schloss den Mund wieder.
„Wir werden alle zugegen sein, Vater“, versprach Loki und gab Thor mit Blicken zu verstehen, seinen Mund zu halten.
Nach dem Abendessen wandte Thor seinen Schritt zu Freya und wollte mit einem breiten Grinsen etwas sagen, aber sie erkannte rechtzeitig was er vorhatte. Sie wandte sich ab und verließ so schnell es ging den Speisesaal.
Wie immer wollte Thor ihr Brüderlich auf die Schulter klopfen und irgendeinen dummen Spruch darüber machen, dass sie am Fest zwei Abende zuvor zu viel getrunken hatte. Denn nur so würde er sich erklären können, warum Freya neben der Spur war. Oder aber er würde versuchen die Wahrheit herauszubekommen. Und sie hasste es zu lügen.
Es war unmöglich zu kämpfen ohne zu verlieren und daher war da nur noch die Möglichkeit zu fliehen. Und das tat Freya auch.
Sie floh an den einzigen Ort im Palast, an dem sie von niemandem gestört werden würde.
Ihren Kleiderschrank.
Ihr Schrank war eigentlich kein Schrank in dem Sinn. Es war ein ganzer Raum, der an ihr Schlafzimmer angrenzte. Eher ein Ankleidezimmer als ein Schrank. Ihre Garderobe hatte über die Jahre immer mehr Platz in Anspruch genommen und da sie sich von nichts trennen konnte, hatte der Allvater vorgeschlagen baulich einiges zu verändern. In diesem Raum war sie immer für sich. Sie verbot den Zimmermädchen darin sauber zu machen, damit diese ihre Ordnung nicht durcheinander brachten und ihre Tante mischte sich schon seit vielen Jahren nicht mehr in ihren Kleidungsstil ein. Thor und Loki war dieser „Mädchenkram“ sowieso ein Buch mit vielen Sigeln und daher war dieser Ort auch vor ihnen sicher.
Dort angekommen kroch Freya zwischen ihren Abendkleidern hindurch bis sie die Wand erreichte. Dort kauerte sie sich zusammen, umschlang ihre Beine und ließ ihren Kopf auf ihren Knien ruhen.
Was sollte sie nur tun?
Sie musste unbedingt aufhören negative Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Zu viel in Gedanken zu sein war definitiv nicht gut. Nicht gesellig zu sein war auch nicht gut. Untypisches Verhalten im Allgemeinen war nicht gut. In Lokis Nähe zu sein war nicht gut. Loki zu meiden, ohne dass Asgard wusste warum, war auch nicht gut.
Freya seufzte auf.
Sie war Loki ins Netz gegangen.
Anders konnte sie es nicht beschreiben.
Obwohl sie die letzte Nacht gewollt hatte, wäre sie bei klarem Verstand niemals so weit gegangen. Doch sie war berauscht von den Gefühlen die er in ihr wachgerufen hatte und schlug all ihre Vernunft in den Wind. Jetzt war sie bei klarem Verstand und sie wünschte sich nichts sehnlicher als die Zeit zurückzudrehen.
Aber egal wie sehr sie sich das wünschte, sie konnte nichts ändern.
Jetzt blieb ihr nur noch die Möglichkeit das Beste aus der Situation zu machen, in die sie sich hineinmanövriert hatte.
Ja, sie hatte das Bett mit ihrem Cousin Loki geteilt und ja, sie spürte gewisse Gefühle für ihn die diesen Schritt rechtfertigten.
Ja, Asgard und vor allem ihre Tante und ihr Onkel durften davon nichts erfahren und ja, dessen war sich Loki auch bewusst.
Auch wenn er nach ihrem Erwachen so getan hatte als würde ihn das nicht kümmern, hatte er während des Essens nicht einmal die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt. Im Gegenteil. Er hatte aktiv dazu beigetragen, dass Thor wieder im Mittelpunkt stand. Das bedeutete eindeutig, dass er fürchtete, sie würde sich verplappern.
Das bedeutete wiederum, dass er niemals etwas tun würde, was sie beide in irgendeiner Weise gefährdete. Und obwohl sie keine sonderliche Lust darauf hatte in seiner Nähe zu sein, konnte sie sich doch sicher sein, dass er normal mit ihr umgehen würde, solange jemand anderes in der Nähe war.
Freya lächelte.
Sie musste ihn also nicht meiden.
Er würde schon dafür sorgen, dass ihr Geheimnis sicher war.
Jetzt musste sie nur noch genug Selbstvertrauen zusammenraffen, damit sie ihre Geistesabwesende Art ablegte und zu ihrem alten selbst zurückfand. Was hätte ihr altes selbst jetzt getan?
Freya kletterte aus ihrem Versteck hinter ihren Abendkleidern hervor, straffte ihre Schultern und lenkte ihren Schritt aus ihrem Zimmer und geradewegs zu Lokis Zimmer. Mit jedem Schritt spürte sie ihr Selbstbewusstsein wieder aufkeimen und als sie an seine Zimmertüre pochte, trat sie auch sofort ein.
Sie nahm nur am Rand wahr, dass Loki an seinem Schreibtisch saß. Als er mit unwillig gerunzelter Stirn gewahr wurde, wer eingetreten war, machte er mit seiner linken eine Handbewegung und eine schwere Truhe hinter ihm klappte zu.
„Gib mir mein Kleid zurück“, forderte Freya mit ausgestreckter Hand und trat auf ihn zu, bis sie vor seinem Schreibtisch stand. Loki lächelte und lehnte sich mit verschränkten Händen hinter seinem Kopf in seinen Stuhl zurück.
„Was macht dich so sicher, dass ich es habe?“, fragte er neugierig. „Ich habe es doch aus dem Fenster geworfen. Erinnerst du dich?“
Freya stemmte ihre Hände in die Hüfte und lehnte sich über den Schreibtisch zu ihm vor. „Du würdest nicht wagen meinen Ruf zu beschmutzen. Jeder der das Kleid im Hof gesehen hätte, würde wissen wem es gehörte und dann Vermutungen anstellen“, erklärte sie grimmig. „Das führt zu der einzigen Möglichkeit, dass du entweder eine deiner blöden Illusionen aus dem Fenster geworfen oder, dass du das Kleid kurz danach wieder eingesammelt hast“, schlussfolgerte sie und streckte wieder fordernd ihre Hand zu ihm aus. „Egal was stimmt, du hast mein Kleid und ich will es wieder haben!“
Loki rührte sich kein Stück und sah Freya weiterhin mit hinter dem Kopf verschränkten Armen an. Irgendwann war es Freya zu blöd und sie schloss genervt ihre Augen. Dabei ließ sie ihre fordernde Hand sinken und stützte sich auf dem Schreibtisch ab.
„Bring mich nicht dazu dir weh zu tun Loki. Du weißt ich würde es tun“, begann sie zu drohen, ohne ihn dabei anzusehen.
Da er noch immer nichts unternahm, öffnete sie ihre Augen und sah ihn an. „Wozu willst du es überhaupt behalten?“, fragte sie fast verzweifelt.
Langsam öffnete er den Mund als wollte er etwas sagen, aber dann schloss er ihn doch wieder und mit einem leichten lächeln holte er seine Hände hinter seinem Kopf hervor und verschränkte sie vor seinem Bauch. Völlige entspannte saß er weiterhin in seinem Stuhl und sah Freya lächelnd an.
„Ach, behalt es!“, rief Freya genervt und stieß sich vom Schreibtisch ab um den Raum zu verlassen.
Dabei fiel ihr Blick auf das Bett und sie musste nicht zum ersten Mal feststellen, dass es ungemacht war. Tatsächlich sah es sogar gleich aus wie da als sie es verlassen hatte. Das Laken war aufgewühlt, die Kissen völlig verramscht und hätten mal ausgeschüttelt werden sollen und das wichtigste: die Bettdecke war nicht da. Vermutlich war sie im Badezimmer.
Freya blieb wie angewurzelt stehen und ließ ihren Blick über den Rest von Lokis Schlafzimmer gleiten. Überall stapelten sich Bücher, Pergamentrollen, Geräte und irgendwelche Fläschchen. Auf manchen Dingen lag eine meterhohe Staubschicht und auf anderen weniger. Insgesamt sah sein Zimmer aus als würde wirklich kein Zimmermädchen hier reinkommen.
In Freya dämmerte es langsam.
Sie drehte sich blitzschnell wieder zum Schreibtisch um. Bevor Loki überhaupt sein breites, siegessicheres grinsen verschwinden lassen konnte, war sie mit einem lauten schrei über den Schreibtisch und an seine Kehle gesprungen. Loki hatte keine Zeit irgendwie zu reagieren, außer seine gefalteten Hände zur Abwehr hochzureißen. Durch ihren Schwung brachte das jedoch nicht sehr viel.
Loki fiel mitsamt seinem Stuhl nach hinten und sein Kopf verfehlte dabei nur wenige Zentimeter die Truhe, die hinter seinem Schreibtisch stand und krachte auf den Boden. Obwohl ihm sein Schädel brummte wie ein Bienenstock, schaffte er es Freyas Hände von seinem Hals zu reisen.
Sie saß auf seinem Bauch und versuchte immer noch schreiend ihre Hände aus seinem Griff zu befreien.
„Ich kratze dir die Augen aus, du elender Lügner!“, rief sie fast hysterisch.
Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte Loki sie davon abzuhalten genau das zu tun. Dabei dröhnte ihm sein Kopf, jeder einzelne Wirbel schrie förmlich vor Schmerz auf, wenn er sich bewegte und vor allem saß er noch immer im Liegen in seinem Stuhl. Damit war er nicht gerade in der Position sich lange gegen seine Angreiferin zu erwehren. Er wollte wissen von was sie diesmal sprach, aber er wagte nicht sie noch mehr in Rage zu versetzen. Darum sagte er nichts.
Egal um was es diesmal ging, was auch immer er wieder getan hatte, diesmal schien sie es wirklich ernst zu meinen.
Freya versuchte sich seines Griffs zu entwinden oder seinen Augen näher zu kommen und hoffte dabei, dass er irgendwann seinen Griff lockerte. Doch bisher ohne Erfolg.
Was sie jedoch nicht wusste war, dass Lokis Kräfte wirklich nachließen. Wäre er nicht überrascht worden, wären seine Hände frei zum Zaubern und würde er nicht in diesem blöden Stuhl festsitzen, hätte er sich ihrer schon längst entledigt. Es gab nur noch eine Möglichkeit sie auf Distanz zu bringen.
***
In ihrem inneren kochte es und Freya war mehr als gewillt ihm wirklich weh zu tun. Doch als sie wieder versuchte an sein Gesicht zu gelangen, spürte sie einen Ruck an ihrem Armen. Loki zog mit aller Kraft an ihren Handgelenken, sodass sie vorne über fiel und ihre Oberkörper aufeinander prallten. Sie wollte sofort wieder Distanz zwischen sie bringen, aber Loki hielt ihre Arme eisern fest und verhinderte damit ein aufrichten. Genüsslich hob er seinen Kopf an, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern.
„Weißt du, es macht mich wirklich an wenn du so wütend bist“, säuselte er und inhalierte ihren adrenalingeschwängerten Duft.
Auch wenn Freya kochte vor Wut, stellte sie mit aufgerissenen Augen fest, dass er recht hatte. Sie spürte seine Erregung und in seinem Duft roch sie Begehren. Das schlimmste war jedoch, dass auch sie selbst in Wallung kam. Mit geschlossenen Augen versuchte sie sich selbst zur Ordnung zu rufen, aber sofort tanzten Erinnerungen der letzten Nacht vor ihren Augen herum.
Da sie nichts weiter unternahm, setzte Loki ein schmunzeln auf und lehnte sich wieder zurück um ihr ins Gesicht zu sehen.
„Du bekommst dein Kleid für eine kleine Gefälligkeit“, schoss es schneller aus ihm hervor als er es gewollt hatte.
Eigentlich hatte er vorgehabt das Kleid vorerst zu behalten und diese ratlose Freya noch eine Weile zu genießen, aber seine Zunge war schneller gewesen.
Und wie ein Zauberspruch schien der Satz Freya aus ihrem Bann geholt zu haben.
Freya öffnete ihre Augen und sah Loki an.
Sie war nicht wütend, zornig, angeekelt oder überrascht.
Mit einem leichten Zucken in seinen Augen stellte Loki argwöhnisch fest, dass sie so aussah als würde sie über seinen Vorschlag nachdenken.
Dann lächelte sie leicht und ihre Arme entspannten sich vollkommen in seinem Griff.
„Ach ja? Und was wäre das für eine Gefälligkeit?“, hauchte Freya und setzte ihren verführerischsten Blick auf. Loki wagte es ihre Handgelenke loszulassen. Sie zog ihre Arme zurück, legte sie auf seine Brust und richtete sich gerade soweit auf, dass ihre Locken, die über ihre Schulter nach vorne fielen, den Stoff seines Hemds nicht berührten.
„Redest du etwa davon?“, begann Freya und rutschte von seinem Bauch weiter runter zu seinem Unterleib. Seine vom Stuhl noch immer angewinkelten Beine bildeten eine Lehne für ihren Rücken. Aber zwischen ihren Beinen spürte sie seinen Schoß und damit seine leichte Erektion.
Langsam begann sie sich an dieser zu reiben, während sie ihren Kopf in den Nacken legte. Aufseufzend nahm sie ihre Hände von seinem Brustkorb, strich mit der rechten durch ihre blonden Locken und mit der linken streichelte sie über ihre Brüste.
Loki konnte ein Stöhnen nur schwer unterdrücken. Obwohl ein leiser Teil seines Verstandes ihn anschrie auf der Hut zu sein, konnte er sein Glück kaum fassen. In zwei Nächten hintereinander saß die Frau seiner Träume auf ihm und wollte mehr.
Er packte ihre Hüfte und presste ein leises „Genau davon“, zwischen seinen Lippen hervor.
Mit lustverhangenen Augen richtete Freya ihren Blick wieder auf Lokis Gesicht und während sie stöhnte, nahm sie seine Hände von ihrer Hüfte. Sie beugte sich wieder runter zu ihm und führte dabei seine Hände über seinen Kopf. An seinem Ohr raunte sie: „Dass du dich da mal nicht irrst.“
Loki riss die Augen auf und war sofort bereit, aber Freya war schneller als er.
Sie biss ihm mit aller Kraft in sein Ohrläppchen und ließ erst dann von ihm ab, als sie Blut schmeckte.
Loki schrie kurz auf vor Schmerz und warf Freya regelrecht von sich runter.
Freya wollte auch nicht länger so nahe sein und raffte sich sofort auf als sie erst einmal von ihm runter war.
Auch Loki richtete sich sofort von seiner Stuhlposition auf und hob sich mit schmerzverzerrtem Gesicht sein Ohr.
„Du Biest“, zischte er.
„Du Lügner“, entgegnete sie ihm mit verschränkten Armen.
Ohne sich weiter um sie zu kümmern, nahm er eines der Fläschchen aus dem Regal und stellte sich vor seinen Spiegel. Dort angelangt wurde ihm erst bewusst, dass sein Ohrläppchen blutete.
„Was sollte das eigentlich?“, fragte er und unterdrückte den Impuls zu wimmern als der Inhalt des Fläschchens auf der offenen Wunde brannte wie Feuer. Freya hatte ihn nur beobachtet, erklärte ihm aber: „Du sagtest es würde ein Zimmermädchen kommen.“
Loki verdrehte die Augen, vor allem wegen des Schmerzes, und fragte: „Ja und?“
„Hier kommt nie ein Zimmermädchen her!“, sagte Freya und breitet ihre Arme aus um ihm zu zeigen wie es eigentlich hier aussah.
Loki lächelte schelmisch. „Oh, ja stimmt.“
„Du Mistkerl.“
„Du wiederholst dich. Das hatten wir erst heute Morgen.“
„Arschloch.“
„Vulgär, aber wenigstens was neues.“
Loki besah sich sein bereits verheiltes Ohrläppchen im Spiegel an und wischte das übrige Blut mit einem Stofftuch von seinem Hals. Zu Freya gewandt meinte er: „Als ob es eine Überraschung für dich ist, dass ich gelogen habe.“
„Ich dachte nur du wärest etwas erwachsener geworden“, stichelte Freya und verschränkte wieder ihre Arme vor der Brust.
Loki wandte sich von seinem Spiegelbild ab und lehnte sich an die Wand. „Dasselbe könnte ich von dir sagen.“
Die Augen verdrehend konnte und wollte Freya darauf nichts mehr sagen. Die Unterhaltung verlief im Kreis und vermutlich hatte Loki genau das geplant. Das Beste wäre es, dieses Zimmer zu verlassen und das Kleid zu vergessen. Natürlich würde er das Kleid aufheben und verwahren, aber ebenso natürlich würde er es als eine Art Druckmittel gegen sie verwenden. Es war zwar nicht ihr Lieblingskleid aber dass es Loki besaß stellte eine Bedrohung für sie da. Das war der Beweis, dass etwas zwischen ihnen geschehen war, was nicht hätte passieren sollen.
„Weißt du was? Vergiss das Kleid und vergiss die letzte Nacht“, begann Freya genervt und ließ ihre Hände geschlagen sinken. „Diese Sache wird sich niemals wiederholen und wenn du mich noch einmal anlügst, erpresst oder deine Spielchen spielst, werde ich dir etwas abreisen, dass dein Zaubertonikum nicht wieder heilen kann. Verstanden?“ Damit wandte sie sich zur Türe und stolzierte davon.
Loki sah ihr wortlos nach und als die Türe ins Schloss fiel, schluckte er einmal hart. Diese Drohung war ernst gemeint und er wollte wirklich nicht das Risiko eingehen sie herauszufordern.
Er wandte sich zu seinem Schreibtisch und stellte den umgekippten Stuhl wieder aufrecht hin.
Bevor Freya sein Zimmer betreten hatte, war er damit beschäftigt gewesen zu überlegen wie er in Zukunft mit Freya umspringen sollte. Dabei hatte er das goldene Kleid von letzter Nacht gerade in seinem geheimen Fach in der Truhe verstaut. Der Deckel der Truhe hatte offen gestanden als er sich selbst dafür verfluchte ihr heute Morgen nicht behilflich gewesen zu sein. Er wollte auf gar keinen Fall, dass diese Sache herauskam oder das Freya sich weiter von ihm distanzierte. Aber seine Sucht nach Trophäen von schönen Erinnerungen hatte ihn dazu getrieben ihr das Kleid vorzuenthalten.
Und schlussendlich führte genau das dazu, dass sie so weit von ihm entfernt war wie noch niemals zuvor.
Loki öffnete die Truhe, nahm das Kleid heraus und unterdrückte den Drang es in kleine Fetzen zu reisen. Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte als er seine Lippen aufeinander presste und sich wütend in den Stoff krallte.
Dieses verdammte Kleid.
Diese verdammte Frau.
***
„Ich verstehe einfach nicht warum wir uns auch rausputzen sollen“, grummelte Thor neben Loki, als sie pflichtbewusst zum Thronsaal schlenderten.
Ihre Mutter Königin Frigga hatte ihnen an diesem Morgen eingeschärft ihre besten Anzüge anzuziehen wenn sie zum Empfang des Botschafters gingen. Thor nestelte an seinem roten Umhang und spürte schmerzlich die Leere an seinem Gürtel wo sein Hammer Mjöllnir sonst immer baumelte.
„Freya ist doch die, die sich rausputzen muss um diesem Botschafter schöne Augen zu machen“, seufzte Thor.
Er war so damit beschäftigt sich selbst zu bedauern, dass er nicht bemerkte wie Loki sich neben ihm unwillkürlich versteift hatte.
„Es zeigt unseren guten Willen“, erklärte Loki lahm. Pikte seinen Bruder in die Seite und meinte noch: „Außerdem musst du dich als Allvater auch immer schön rausputzen.“
„Da seid ihr ja“, seufzte Freya auf, als sie in Sichtweite der schweren Flügeltüren kamen.
Freya war in eines ihrer schönsten Kleider gehüllt.
Der Stoff ihres Kleides bestand aus einem dünnen, durchsichtigen Tuch, welches über und über mit winzigen Edelsteinen aus allen neun Reichen bestickt war um den Blick auf Freyas Körper zu versperren. Weiße Edelsteine dominierten das Kleid, wodurch es silbern wirkte. Eine Farbe die Freya nicht so oft trug. Das Kleid hatte nur an ihrer rechten Schulter einen Träger, war hauteng und wurde erst ab ihres Schoßes weit fallend. Hinten war es zudem noch etwas länger als vorne, wodurch der Eindruck einer schleppe entstand.
Ihre Haare waren zwar offen, aber ein paar Strähnen trug sie nach hinten und wurden von einer Diamantenen Haarspange zusammengefasst.
Da ihr Kleid aus Juwelen bestand, trug sie sonst keinen Schmuck. Nicht einmal Brisingamen.
Loki fielen zweierlei Dinge auf.
Ihm fiel auf, dass sie gestern etwas untypisch Hochgeschlossenes getragen hatte und dass sie Brisingamen nicht trug. Eine Kette die sie liebte und immer trug wenn es möglich war.
Konnte es sein, dass Freya sich gestern unwohl gefühlt hatte und etwas hochgeschlossenen tragen wollte?
Konnte es sein, dass Freya sich mit Absicht für dieses Kleid entschieden hatte um Brisingamen nicht tragen zu müssen?
„Du siehst mal wieder umwerfend aus Freya!“, stellte Thor bewundernd fest und sie lächelte dankbar. Loki öffnete den Mund um auch etwas zu sagen, als Freya schon sagte: „Du siehst auch klasse aus. Wie der Krieger, der du bist. Komm, gleite mich rein“, flötete Freya und ergriff Thors Arm. Als sich die Türen öffneten, meinte Freya zu Loki gerichtet: „Du siehst okay aus.“
Loki bleib stehen und sah seinem Bruder und seiner Cousine hinterher wie sie in den Thronsaal schritten.
„Diese Frau“, grummelte er und beeilte sich den Anschluss zu finden.
Sie nahmen ihre Plätze neben dem Allvater ein. Zu seiner linken stand Thor, zu seiner rechten Loki und etwas neben ihm stand Freya. Kaum waren sie auf ihren Plätzen, öffneten sich die Thronsaal Türen und der Herold ließ verlauten, dass der Botschafter aus Nornheim da sei.
Es folgte eine Schaar von Menschen, darunter vor allem Soldaten, Diener und einige Höflinge.
Der Botschafter, welcher an der Spitze der Prozession ging, reiste offenbar nicht mit leichtem Gepäck.
Vor dem Allvater angelangt, verbeugte sich der Botschafter und ergriff sofort das Wort: „Ehrwürdiger Allvater, es ist mir eine immense Ehre heute hier sein zu dürfen. Leider werde nicht ich die Verhandlungen mit Euch führen können, sondern die Thronfolgerin persönlich.“ Damit richtete sich der ältere Botschafter wieder auf und deutete mit ausgebreiteter Hand nach hinten. Die Prozession bildete einen Gang und die Soldaten gingen in Hab-Acht-Stellung als eine junge Frau den Thronsaal betrat.
Während sie den gebildeten Gang entlangschritt, wurde sie vorgestellt als: „Prinzessin Urd, älteste der drei Töchter des Schicksaals aus Nornheim.“
Freya kam nicht umhin festzustellen, dass Thor ein leises „Wow“ von sich gab. Tatsächlich war diese Prinzessin Urd wirklich schön.
Sie trug ein Mantelkleid von der Reise. Es war aus schwerem lila Brokat und war vorne zusammengeschnürt. An ihrem Ellbogen war eine goldene Borte angebracht und ab da fiel der Stoff in Trompetenärmeln fast bis zum Boden. Während sie ging, nahm sie die eingenähte Kapuze ab und gab somit den Blick auf ihr Gesicht frei. Dunkelbraune wallende Haare umrahmten ihr ebenmäßiges, Porzellanweises Gesicht. Ihre stechend blauen Augen wirkten hypnotisierend und ihren blutroten Lippen entsprang eine so klare Stimme, wie sie Freya noch selten gehört hatte.
„Verehrter Allvater, ich wurde von meiner Mutter, Königin Dessa geschickt, um den guten Willen der Nornen zu zeigen. Ich hoffe es stellt kein Problem für Euch dar, wenn ich die Verhandlungen führen werde?“, fragte sie und knickste elegant.
Odin lächelte und stand auf.
„Es ist mir ein großes Vergnügen Euch hier in meinen Hallen willkommen zu heißen. Ich hoffe Eure Reise war so angenehm wie möglich?“, fragte er und kam die Treppen zu Urd runter.
„Ja, danke der Nachfrage“, kam die höfliche Antwort.
„Schön. Euren Dienern wird Eure Unterkunft gezeigt, dann können sie Euer Gepäck dorthin bringen. Darf ich Euch inzwischen einladen am Mittagstisch eine Kleinigkeit einzunehmen?“, bot er an und reichte ihr seinen Arm. Urd lächelte dankbar und nahm das Angebot schweigend an, indem sie seinen Arm annahm.
Odin lenkte seinen Schritt aus dem Thronsaal, während seine Söhne und seine Nichte stehen blieben wo sie waren.
„Wow“, stellte Thor nur einmal mehr fest, als er zu Freya und Loki kam.
„Das sagtest du bereits“, meinte Freya und verdrehte die Augen.
„Jetzt sag bloß, du findest sie nicht auch hübsch?“, fragte er zurück.
Freya sah ihn entgeistert an. „Hübsch?“, fragte sie. „Sie ist atemberaubend schön!“
Loki neben ihr machte nur ein kurzes „Pffft.“ Thor und Freya sahen ihn fragend an.
„Es gibt hübschere als sie“, erklärte Loki leichthin und begann seinen Weg zum Mittagessen anzutreten.
„Ach ja, und wer?“, fragte Thor neugierig und beschleunigte seinen Schritt um seinen Bruder einzuholen.
„Sigyn zum Beispiel“, meinte Loki.
„Auf keinen Fall!“, wiedersprach Freya als auch sie die beiden einholte. „Sigyn ist zu braungebrannt und ihre Haare sind nicht so weich.“
„Was wirklich zählt ist doch das innere und nicht das äußere“, erklärte Loki gleichmütig und Thor prustete los.
„Klar“, brachte er kichernd hervor und fügte noch hinzu: „Und ich dachte du würdest Freya als Beispiel nennen.“
Loki und Freya blieben wie angewurzelt stehen.
„Warum sollte ich?“, fragte Loki verwirrt und Thor blieb ebenso stehen.
„Hat dich jemand zu hart auf den Kopf gehauen?“, fragte Thor und Freya lächelte schief. „Weil Freya doch unsere Göttin der Schönheit und der Liebe ist! Depp“, erklärte Thor und wandte sich von den beiden ab. „Wer als letztes ankommt ist ein Bilgenschwein!“ Schon rannte er davon und ließ die beiden stehen.
Freya wollte auf keinen Fall alleine mit Loki bleiben, raffte ihr Kleid soweit sie es konnte und spurtete augenblicklich hinter Thor her. „Das ist unfair!“, rief sie ihm nach.
Odin war im Speisesaal damit beschäftigt gewesen, Prinzessin Urd seiner Frau vorzustellen, als die Türen aufgestoßen wurden und Thor beschwingten Schrittes und mit einem zufriedenen Lächeln hereinschritt. Dicht gefolgt von Freya, die an ihrem Kleid nestelte und sich eine verirrte Haarsträhne zurück über ihre Schultern warf. Erst wenige Minuten später erschein auch Loki, der an dem Wettrennen nicht teilgenommen hatte.
„Wie Ihr Euch sicherlich denken könnt, sind das meine Söhne und meine Nichte“, erklärte Odin und tadelte Thor mit einem strengen Blick. „Das ist mein Sohn Thor, Thronfolger Asgards und Gott des Donners“, stellte Odin nun alle der Reihe nach vor. Urd lächelte und reichte Thor ihre Hand, die Thor pflichtbewusst nahm und einen Kuss hauchte.
„Sehr angenehm Mylady“, meinte Thor und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. Sein gewinnendes Lächeln tat sofort seine Wirkung und Urd senkte den Blick. „Es ist mir eine Freude Euch kennen zu lernen. In Nornheim wird viel von Euch berichtet“, meinte sie und richtete ihre Augen wieder auf die massive Erscheinung von Thor. „Und ich muss sagen die Geschichten waren nicht übertrieben.“
Freya blinzelte verwirrt.
Flirtete Urd mit Thor?
„Und das ist meine Nichte Freya, das Juwel Asgards und seit kurzem unsere Göttin der Schönheit und der Liebe“, stellte Odin nun die nächste Person vor.
Urd wandte ihre Aufmerksamkeit Freya zu, lächelte höflich und deutete ein knicksen an.
Freya fühlte sich plötzlich unwohl und beugte sich nur leicht vor um ihren Respekt zu bezeugen.
Da weder Freya noch Urd etwas sagten, richtete Odin Urds Aufmerksamkeit auf seinen jüngsten Sohn.
„Und das ist mein Sohn Loki, unser Gott des Unheils.“
Urd reichte Loki ihre Hand. „Ich habe auch viel von Euch gehört mein Prinz. Ist es wahr, dass Ihr ein begabter Magier seid?“, fragte Urd interessiert.
Loki ergriff die dargebotene Hand mit vollkommener Eleganz und hauchte einen Kuss darauf. „Der Meistermagier steht zu Euren Diensten“, meinte er und richtete sich auf um ihr einen vor Verschwörung und List triefenden Blick zuzuwerfen. „Aber bitte nennt mich Loki.“
Urd lächelte schüchtern. „Sehr gerne, Loki.“
Odin ergriff wieder das Wort und richtete die Aufmerksamkeit aller auf den reich gedeckten Mittagstisch. Aller, bis auf Freyas.
Sie konnte nicht glauben was sie sah.
Natürlich wusste sie, dass ihre Cousins sehr verführerisch sein konnten wenn sie wollten, aber das hier war etwas viel. Sie sagte aber nichts, verdrehte nur die Augen und ließ sich auf ihrem Platz neben Loki an der linken Längsseite des Tisches ein. An den Kopfenden ließen sich Odin und seine Frau Frigga nieder und neben Thor, auf der rechten Längsseite nahm Urd ihren gewiesenen Platz ein. Damit saß Freya schräg gegenüber von ihr.
Der Verlauf des Mittagessens verlief förmlich und höflich.
Odin bot Urd an, sich nach dem Mittagessen zur Ruhe zu begeben und danach eine Führung durch den Palast zu machen. Thor solle ihr alle wichtigen Orte hier zeigen, damit sie sich nicht verlief. Und am Abend sollte ein kleines Begrüßungsfest zu ihrem Ehren stattfinden.
„Darauf bin ich sehr gespannt“, meinte Urd mit ihrer wohlklingenden Stimme. „Ich habe gehört, dass die Feste in Asgard ihresgleichen suchen.“
„Etwas besseres habt Ihr in allen neun Reichen noch nicht gesehen!“, donnerte Thor fröhlich und Freya grinste bei der Erkenntnis, dass Thor sich nur mit Mühe zurückhalten konnte, Urd nicht die Schulter zu zertrümmern. „Das glaube ich gerne“, meinte Urd und lächelte ihn an.
„Und ich habe gehört, dass die Nornen ebenfalls sehr begabte Magier in ihren Reihen haben“, stellte Loki fest und sah Urd interessiert an. Mit einem schüchternen lächeln legte sie ihr Besteck beiseite und erklärte: „Ja, das stimmt wohl. Vor allem mit den Elementen können wir sehr gut umgehen. Ich zum Beispiel spiele gerne mit dem Feuer.“ Sie schloss ihre Augen und als sie ihre Lieder wieder öffnete, glühten ihre Augen rot und die Kerzen im Raum gingen in Flammen auf.
Sofort wurden ihre Augen wieder blau als alle Kerzen brannten.
„Das war beeindruckend“, stellte der Allvater fest und Thor pflichtete ihm bei. Loki hielt sich allerdings zurück.
„Das kann ich auch“, meinte Freya und sah von ihrem Teller auf als sie spürte wie aller Augen auf sie gerichtet waren. Sie ließ ihre Gabel fallen und hob ihre Hände abwehrend. „Mit einem Streichholz meinte ich“, erklärte sie kleinlaut und fügte ein zerknirschtes „Entschuldigung“ an, als sie den strafenden Blick ihres Onkels gewahr wurde.
Urd lächelte trotzdem.
„Schon gut, normalerweise mache ich das auch mit einem Streichholz“, erklärte sie und lachte. Freya lächelte sie erleichtert an.
„Prinzessin Freya, ich muss Euch sagen, dass Ihr ein wirklich schönes Kleid tragt“, meinte Urd anerkennend. Freya spürte wie sie sich freute, dass Urd so etwas zu ihr sagte. Sie wollte sich bedanken, als Urd noch hinzufügte: „Ich würde so ein hautenges Kleid niemals tragen. Da sieht man jede kleine Rundung. Aber ich habe von Eurem Mut gehört.“
„Oh ja, unsere Amazonen-Cousine ist wirklich bekannt für ihren Mut und manchmal auch ihren Übermut“, pflichtete Thor bei und richtete die Aufmerksamkeit von Urd auf sich, indem er eine Geschichte von seinem letzten Sparring mit Freya berichtete. Sofort war alle Aufmerksamkeit von Freya gelenkt und dafür war Freya mehr als dankbar.
Sie wäre am liebsten über den Tisch geklettert und hätte Urd vor aller Augen erwürgt.
***
Nach dem Mittagessen geleiteten Odin und Frigga höchstpersönlich ihren Gast zu ihrem Gemächern und ließen Thor, Loki und Freya vor dem Speisesaal zurück.
„Sie ist wirklich eine entzückende Person“, stellte Thor verträumt fest und sogar Loki pflichtete ihm bei: „Ja, und sie weiß sich zu benehmen.“
Freya war diesmal diejenige, die ein „Pffft“ von sich gab.
„Dieses Biest kann mich mal an meinem hochwohlgeborenen und unerzogenen Arsch-“, begann sie zu erklären als Loki ihr ins Wort fiel.
„Was ist denn mit dir los? Fühlst du dich von ihr bedroht? Musst du dein Revier markieren?“
Thor lachte, sah Freya dann aber ebenso fragend an als er feststellte, dass sonst keiner lachte.
„Ihr wisst nicht von was ich spreche?“, fragte Freya verwirrt.
„Nö, keine Ahnung“, meinte Thor und Loki stichelte ihn: „Das wäre etwas neues, wenn es nicht so wäre.“ Als Thor seine Hand hob um Loki eine Kopfnuss zu verpassen, fügte Loki hastig zu Freya gewandt hinzu: „Aber ich weiß auch nicht von was du sprichst.“
Freya machte eine wegwerfende Handbewegung zu ihren Cousins und drehte sich um, um zu ihrem Zimmer zu gehen. Aber die beiden wollten wissen um was es ging und kamen an ihre Seite.
„Sie war doch höflich und hat dein Kleid gelobt“, meinte Thor. Freya lachte verächtlich auf. „Du musst zwischen den Zeilen hören.“ Sie sah Thor an und meinte seufzend: „Es war Mädchensprache für ‚Du bist zu dick‘“. Loki und Thor blieben beide stehen um das gehörte zu verdauen, während Freya einfach weiterging. Schließlich, als die beiden sie nicht mehr einholten, blieb sie stehen und drehte sich zu ihnen um.
„Hä? Zu dick?“, fragte Thor und dachte nach.
„Mädchensprache?“, fragte Loki und überlegte ebenfalls.
„Seid ihr so doof oder tut ihr nur so?“, fragte Freya genervt. „Sie sagte, dass sie so ein Kleid niemals tragen würde, weil man jede Rundung sehen würde. Und da ich es trotzdem trage, bin ich darum mutig!“, erklärte Freya und fasste mit einer verzweifelten Armbewegung zusammen: „Ich bin zu dick!“
„So ein Blödsinn“, meinte Thor und boxte seinen Bruder in den Arm. „Sag was“, zischte er ihm zu. Wenn diese Situation jemand retten konnte, dann die Silberzunge seines Bruders.
„Mädchensprache?“, wiederholte Loki nur und konnte ein glucksen kaum unterdrücken.
„Idioten!“, rief Freya, drehte sich zackig um und marschierte mit ausufernden Schritten und gerafftem Kleid davon.
„Toll“, brummte Thor zu Loki und rief Freya hinterher: „Was hast du jetzt vor?!“
Freya hielt nicht, rief aber über ihre Schulter zurück: „Ich verbrenne das Kleid und gehe Sparren!“
Thor verdrehte die Augen. „Weiber.“
An seinen Bruder gewandt, fragte er entgeistert: „Was zum Geier sollte das denn? Du solltest die Situation retten und sie nicht noch mehr reizen.“ Loki hatte inzwischen gekichert und fing sich nun wieder.
„Was kümmert es mich ob Freya denkt sie wäre dick? Solange sie auf Urd sauer ist und nicht auf mich, ist doch alles gut“, erklärte er nur und ließ Thor stehen.
Dieser sah seinen Bruder mit einem Kopfschütteln hinterher. „Weiber.“
Freya verbrannte das Kleid natürlich nicht, aber sie verbrachte eine geraume Zeit vor dem Spiegel und besah sich aus jedem Blickwinkel. Sie hatte schon die eine oder andere Rundung, aber die stammten vom Training und nicht vom Essen. Und eigentlich hatte sie immer angenommen, dass sie damit gut aussah.
Aber Urd sah gut aus und wenn sie dachte, dass Freya dick war, dann musste da etwas dran sein.
Sie entledigte sich so schnell sie konnte vom Kleid, zog sich ihre engen Lederhosen, die kniehohen, schwarzen Stiefel an, warf eine weiße Bluse über und schnürte ihre metallene Korsage so eng sie konnte.
Gesagt, getan, war sie kurz nach ihrer Spiegelsession auf dem Trainingsplatz und verbrachte dort zu aller erst ihre Zeit damit, andere grün und blau zu schlagen. Irgendwann gingen die Freiwilligen Soldaten aus und die ersten Freunde fanden sich auf dem Übungsplatz ein.
Zu dem Zeitpunkt als Thor mit Urd einige Stunden später vorbeikam, sahen Fandral, Volstagg, Sif, Hogun und Loki dabei zu, die Freya mit ihrem Schwert eine Holzpuppe attackierte. Sie spürte die Schweißtropfen auf ihrer Stirn aber ihre Wut gab ihr genug Kraft einfach weiterzumachen.
Thor stellte seine Freunde vor und fragte dann: „Warum kämpft keiner von euch gegen Freya?“ Er und Urd lehnten sich an den Zaun, der sie vom Kampfplatz trennte und sahen Freya dabei zu wie sie wie eine Furie immer wieder auf die Holzpuppe einschlug.
„Machst du Witze?“, fragte Hogun grimmig.
Eigentlich war er derjenige, der niemals einen Kampf scheute und niemals Witze riss oder verstand.
„Damit verbringt also die Göttin der Schönheit und der Liebe ihre Freizeit?“, fragte Urd interessiert. Thor lachte und erklärte: „Eigentlich wollte sie Göttin der Kriegskunst werden, aber da sie die schönste hier ist, wurde daraus nichts.“
Urd nickte verstehend und fragte gelangweilt: „Prinzessin Freya ist die Schönste in Asgard?“
Thor sah Urd an und runzelte die Stirn. Doch sie lächelte gewinnend und meinte: „Schönheit liegt im Auge des Betrachters, nicht wahr?“ Thor runzelte die Stirn noch weiter und Urd erklärte: „Ich meine, es gibt sicher auch eine Schönheit bei den Alben oder den Frostriesen, aber wir würden dem wahrscheinlich nicht zustimmen, oder?“ Langsam schien Thor zu verstehen und sein Gesicht hellte sich auf. „Ja, das ist wohl war.“ Urd lächelte so als habe er etwas Kluges gesagt und ergriff seinen Arm. „Du bist viel klüger als ich gehört habe“, flirtete sie mit ihm.
Loki gluckste lautlos und flüsterte seinem Bruder zu: „Mädchensprache Thor.“
Augenblicklich verfinsterte sich seine Miene und Loki wusste, dass sein Bruder darüber nachdachte wie Urd es gemeint haben könnte.
In dem Moment machte Freya vor ihnen einen Satz nach vorne und hieb der Holzpuppe mit aller Macht den Kopf ab. Neben sich hörten Thor und Loki Fandral schwer schlucken. „Das hätte ich sein können“, flüsterte er gerade so laut, dass es seine Freunde hören konnten.
Jetzt, da Freya ganz klar gewonnen hatte, steckte sie ihr Schwert ein. Als sie Schritte hinter sich hörte, wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und atmete beruhigend ein und aus. Langsam wandte sie sich um.
Thor und Urd kamen auf sie zu und sofort verkrampfte sich Freya.
„Ihr seid wirklich eine Walküre“, bestätigte Urd und Freya lächelte verkrampft.
„Gestattet mir nur eine Frage“, begann sie und Freya nickte leicht. „Wozu das alles noch? Ich meine, Thor hat mir erzählt, dass Ihr Göttin der Kriegskunst werden wolltet, aber daran kann sich jetzt nichts mehr ändern. Warum stürzt Ihr Euch immer noch in solch ein schweißtreibendes, stinkendes und unansehnliches unterfangen?“, fragte Urd neugierig und rümpfte leicht die Nase.
„Ich bin gerne vorbereitet“, erklärte Freya und zwang sich, der Prinzessin nicht die Nase zu zertrümmern.
„Vorbereitet auf was?“, fragte Urd.
„Vorbereitet auf einen Krieg?“, fragte Freya zurück und spielte damit auf den Krieg zwischen Nornheim und Wanenheim an.
„Dafür haben wir Soldaten“, meinte Urd leichthin.
„Das heißt, Ihr wärt jetzt vollkommen wehrlos wenn ich Euch jetzt angreifen würde“, stellte Freya fest.
„So würde ich das nicht sehen“, erklärte Urd und lächelte an Thor empor. „Ich habe einen heldenhaften Beschützer an meiner Seite.“
Thor lächelte schief und erklärte ihr: „Ich würde es heute ungern mit Freya aufnehmen.“ Urd sah ihn überrascht an. „Sie ist nur eine Frau und du bist der mächtige Thor!“ Thor lächelte noch etwas breiter und meinte entschuldigend: „Und ich hänge an meinem Leben.“
„Also dann, zeigt mir was Ihr draufhabt“, forderte Freya die Prinzessin heraus und zog ihr Schwert um Aufstellung zu nehmen. Bevor sie einen Schritt auf sie zu machen konnte, hatte Urd ihre Augen geschlossen und als sie sie öffnete, waren ihre blauen Augen weiß und ein heftiger Windstoß riss Freya von ihren Füßen.
Unsanft landete sie auf ihrem Hintern und ihr Schwert fiel ihr aus der Hand und rutschte außer Reichweite. Urd riss sich von Thor los, raffte ihr Kleid ein wenig und ging hastig auf Freya zu. „Es tut mir leid, das war ein Reflex“, erklärte sie und reichte Freya ihre Hand um ihr aufzuhelfen. Freya schlug die Hand aus und richtete sich ohne ihre Hilfe auf. Nicht nur ihr Hintern schmerzte, sondern auch ihr Oberkörper.
Der Windstoß war sehr heftig gewesen und hatte sie unvorbereitet erwischt. Sie rang nach Atem und ihr wurde es leicht schwarz vor Augen als sie sich zu voller Größe aufgerichtet hatte. „Ich hoffe Ihr habt Euch nichts getan und werdet das Fest heute Abend besuchen können?“, fragte Urd besorgt.
Freya nickte und ging so würdevoll davon, wie sie es mit einem schmerzenden Gesäß konnte.
Selbst wenn sie ein Bein und ein Arm verloren hätte, würde sie heute Abend auf das Fest gehen!
Kaum war Freya verschwunden, bezeugten Volstagg, Fandral und Thor ihren Respekt.
„So etwas hat noch kaum jemand geschafft. Freya ist sonst immer diejenige, die das letzte Wort auf dem Übungsplatz hat“, meinte Volstagg und Fandral zwinkerte Urd verführerisch zu. „Eine Frau nach meinem Geschmack.
Sif, Hogun und Loki blieben weiterhin an der Absperrung stehen. Hogun war ein Wanne, was bedeutete, dass er die Nornen Prinzessin nicht allzu sehr mochte. Er schwieg uns sah weiterhin grimmig drein. „Das war ein bisschen heftig, findet ihr nicht?“, fragte Sif und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja ich weiß, die Prinzessin ist keine Kriegerin aber hinterhältig war es schon irgendwie.“ Loki sah Sif nachdenklich an und fragte plötzlich: „Schon mal was von Mädchensprache gehört?“ Sif schüttelte durcheinander ihren Kopf. „Was?“, fragte sie entgeistert.
„Ach, nichts. Ich dachte weil du eine Frau bist-“
„Was soll der Mist?!“, fragte Sif leicht wütend und Loki zog seinen Kopf ein.
Mit abwehrenden Händen, trat er einen Schritt von Sif weg und meinte: „Ich hab etwas dringendes zu erledigen. Bis dann!“ Er wandte sich ab und hastete davon.
***
Freyas Stolz war schwer angekratzt und sie überlegte ernsthaft doch nicht zum Fest zu gehen. Nicht nur dass Urd sie als dick bezeichnet hatte, jetzt war sie auch noch hässlich!
Als Amazone bezeichnet zu werden, war immer etwas gewesen, was sie mit Stolz erfüllte. Amazonen waren stark, unabhängig und wunderschön. Aber eine Walküre?
Wieder einmal stand Freya vor dem Spiegel.
Walküren waren geflügelte, langfingrige, zerzauste Bestien die zwar, zugegeben, sehr mächtige Wesen waren, aber dennoch hässlich wie die Nacht waren.
Sie strich sich eine strähne ihres verschwitzten Haars nach hinten. Durch ihr Training hatten sich ihre Haare gelöst und durch den Schweiß waren sie verklebt und zerzaust. Ihr Teint glitzerte durch die Schweißperlen und durch die Anstrengung zierte ihre Wangen eine unschöne röte. Ihre Lippen waren rissig, weil sie sich vor ärger immer wieder draufgebissen hatte und jede einzelne Rippe schmerzte als würde sie auseinander brechen.
Bis zum fest waren nicht einmal mehr drei Stunden und sie bezweifelte, dass sie das Chaos das sie an sich angerichtet hatte, bis dahin beseitigen würden könne. Ganz zu schweigen davon, dass sie nicht wusste was sie zum Fest tragen sollte.
Klar, sie hatte ein ganzes Zimmer voller traumhafter Kleider aber die eine Hälfte war zu schlicht, ein viertel waren Kampfkleidung, ein Achtel waren hauteng (und die würde sie nie wieder tragen) und der Rest war nicht gerade das, was sie brauchte um Urd auszustechen.
Bisher hatte die nornische Prinzessin nur ausgeteilt und musste nicht einmal einstecken. Sie war einfach gewieft und zu bezaubernd als das irgendwer hätte bemerken können, dass Freya ihr Opfer war. Doch Freya wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Sie würde es diesem Miststück schon zeigen.
Auf dem Weg in ihr Badezimmer entledigte sich Freya ihrer Kleidung und stoppte das Wasser, das in ihre runde Badewanne im Boden einließ. Diese Wanne war im Durchmesser drei Meter breit und bot viel Platz zum Entspannen.
Während sie den Schaumblasen zusah, wie sie durch die Luft tanzten, überlegte sich Freya was sie zum Fest tragen könnte.
Hauteng war unmöglich.
Hochgeschlossen käme einer Kapitulation zugleich.
Hosen wären ein Selbstmord.
Was blieb dann noch übrig? So gut wie nichts.
„Verdammt! Dann gehe ich eben nackt!“, rief Freya wütend in den Schaum und schlug in das Wasser, sodass es aus der Wanne spritzte.
Grummelnd tauchte sie unter.
So schlecht war die Idee nicht.
Sie könnte Brisingamen als einziges tragen. Damit wäre sie definitiv Gesprächsthema Nummer eins. Aber es gab da zwei Probleme:
Erstens: Urd würde einen Weg finden sich über sie lustig zu machen. Immerhin war sie dann völlig entblößt und wehrlos.
Zweitens (und das war der wichtigste Punkt): wollte Freya Brisingamen auf gar keinen Fall tragen. Vorher ging sie doch nackt.
Also musste sie sich etwas anderes überlegen.
Mit einem tiefen Atemzug kam Freya wieder aus dem Wasser empor und strich sich ihre Haare nach hinten. Unter normalen Umständen würde sie darüber nachdenken zu Loki zu gehen und ihn zu bitten diesen Zauber an ihr anzuwenden, der ihr die Kleidung verpasste, die sie sich vorstellte. Aber sie befand sich nicht unter normalen Umständen und weigerte sich diesen Gedanken weiter zu verfolgen.
So wie sie war, stieg sie aus der Wanne aus, trocknete sich nur kurz ihre Haare und betrat ihr Ankleidezimmer. Sie zog hier und da ein Kleid heraus und warf es entweder auf einen Haufen hinter sich oder über ihre Schulter. Schließlich hatte sie sich mit drei Kleidern beladen, ging zurück in ihr Schlafzimmer und zückte ihre goldene Schere.
Sie hatte noch nie an ihren Kleidern etwas geändert, höchstens ändern lassen. Aber der Stick-Unterricht bei ihrer Tante musste sich endlich einmal bezahlt machen. Von einem dünnen, gelbgrünen Paillettenkleid schnitt sie den Saum und die Plüschärmel ab. Von einem hautengen, dunkelgrünen Korsagen-Kleid schnitt sie nur den Korsagenteil ab, kürzte ihn bis knapp unter ihre Brüste und nähte die Pailletten-Ärmel an. Und schließlich, vom dritten, weißen Kleid, schnitt sie nur den Hüftteil ab und nähte dort den Saum des Paillettenkleides an.
Ihr Bauchfreies, zweiteiliges, Minikleid war fertig. Dazu entschied sie sich für dunkelgrüne Stiefeletten mit Keilabsatz, sowie verschiedenen Schmuck. Ihre Haare ließ sie offen.
Freya besah sich im Spiegel und musste ihrer Tante danken, dass sie auf den Stickunterricht bestanden hatte. Ihr Kleid bestand zwar aus Kleidern, die in Asgard modern waren, aber der Stil war eher Midgardisch. Es war leicht und bei jeder Drehung oder jedem Windhauch wehte ihr Rock. Sie konnte alles das zeigen, was ihrer Meinung nach am schönsten an ihr war.
Ihre langen Beine, ihren durchtrainierten Bauch, ihre wohlgeformten Brüste und vor allem ihre gesamte Figur.
„Versuch das mal zu toppen, Urd“, meinte Freya zu ihrem Spiegelbild und drückte sich selbst die Daumen.
Inzwischen waren die drei Stunden um und Freya trat ihren Weg zum Festsaal an.
Der Moment wo sie oben durch die Türe kam und dann über die lange geschwundene Treppe nach unten schritt, war eigentlich immer der schlimmste Moment. Entweder aller Augen richteten sich auf sie und sie fühlte die Unsicherheit in sich aufbranden, oder keiner würdigte sie eines Blickes weil Urd schöner war als sie, dann würde sicher Wut in ihr aufkeimen.
Sie atmete tief ein und langsam wieder aus, dann nickte sie den Dienern zu. Sie reagierten sofort und öffneten die schweren Flügeltüren. Zum Glück für sie würden die Gäste sie erst sehen können, wenn sie auf halber Höhe der Treppen war, denn da verliefen sie in einem leichten knick.
Tatsächlich kamen ihre Tante und ihr Onkel in ihr Blickfeld und Frey lächelte erleichtert.
Nach einem weiteren Schritt lächelte sie nicht mehr.
Ihre Tante unterhielt sich angeregt mit Urd, die in einem wirklich schönen, roten Kleid erschienen war. Es wurde vorne von einer goldenen Kette an ihrem Hals gehalten und fiel (fast) Hauteng bis zum Boden. Um ihre Hüfte lag eine goldene Borte in Form von Blättern. Ihre wallenden, dunkelbraunen Haare hatte sie hochgesteckt und ein goldenes, äußerst geschmackvolles Diadem zierte ihr Haupt. Sie sah vollkommen wie eine würdige Prinzessin aus und Freya blieb angewurzelt auf der Treppe stehen.
Jetzt hätte sie sich selbst am liebsten die Augen ausgekratzt.
Sie sah unsicher an sich herab.
Sicher, es sah nicht schlecht aus, was sie trug, aber es unterstrich nicht gerade ihren Status als Prinzessin. Warum hatte sie nicht daran gedacht? Sie wollte wieder verschwinden, als
„Freya, da bist du ja!“, rief Sif in ihrer elegantesten Kampfuniform.
Sif, der Krieger drei, Thor und Loki hatten ganz in der Nähe der Treppe gestanden und sich unterhalten. Jeder von ihnen war herausgeputzt und trug sein festlichstes Gewand oder Uniform. Freya beneidete Sif dafür, dass sie zur Göttin des Krieges ernannt worden war und daher so erscheinen konnte. Kaum hatte Sif sie erspäht und das gesagt, wandten sich alle zu ihr um.
Alle bis auf Loki, denn er hatte so gestanden, dass er sie bereits kommen sah. Das bedeutete er hatte ihren inneren Kampf sicher gesehen.
Freya straffte ihre Schultern und lächelte aufgesetzt.
Dank Sif drehten sich nun auch Odin und Frigga zu ihr um und Urd richtete ihren Blick auf sie. Nicht lange, und alle anderen Gäste sahen sie auch die Treppen vollends runterschreiten.
In den Augen vieler älterer Damen sah Freya entsetzen, in denen von jüngeren las sie Abneigung und in den Augen von vielen jüngeren Männern glitzerte es verdächtig.
Unten an der Treppe angekommen, vermisste ihre Hand schmerzlich jemanden, der sie in Empfang nahm. Es wäre schön gewesen, wenn einer von den Kriegern oder Thor hergekommen wäre und sie bei der Hand genommen hätte, um sie zum Fest zu geleiten. Aber die Männer standen nur da und glotzten doof.
„Darf ich?“, fragte Odin und trat einen Schritt auf Freya zu. Sie nickte und nahm seine angebotene Hand. Dann geleitete er sie und Urd zu ihren Plätzen.
Danach lief alles recht schnell. Odin eröffnete das Fest mit ein paar begrüßungsworten für Urd und dann begann das Orchester Musik zu spielen, die Kellner das Essen zu servieren und die Mundschenk den Wein einzugießen.
„Dein Kleid ist…“, begann Frigga an Freya gewandt, brach aber ab. Sie suchte nach den richtigen Worten. „Perfekt“, meinte Fandral verträumt und Freya lächelte ihn überglücklich an. „Komm, lass uns tanzen“, bot Freya ihm an und sprang von ihrem Stuhl auf. Volstagg, der neben Fandral saß, meinte entrüstet: „Vor dem essen wollt ihr tanzen?“ Fandral beugte sich zu seinem Freund und meinte verschwörerisch: „Alles was die Prinzessin will.“
Er nahm Freyas Hand und geleitete sie auf die Tanzfläche. Als sie in Position gingen, meinte er zu ihr: „Ich gehöre ganz Euch.“ Freya haute ihm spielerisch an den Hinterkopf. „Hör auf so zu reden. Das ist unheimlich.“
Sie tanzten eine Weile zusammen und als das Lied endete, stellten sie fest, dass sich noch viel mehr Tanzpaare eingefunden hatten. Freya bemerkte, wie sich einige der Männer in ihre Richtung aufmachten und sie ahnte, dass sie sich diesmal nicht vor Tanzpartnern würde retten können. Da stand plötzlich Loki neben ihr und Fandral.
„Weißt du, dein Kleid erinnert mich an die Mode auf Midgard…“, begann er und legte überlegend einen Zeigefinger an sein Kinn. Freya hätte ihm gerne gesagt, dass er nicht so tun solle, aber sie wagte es nicht und wartete nur mit einer hochgezogenen Augenbraue ab. „Ja, ich denke so was tragen die dort. Und weißt du was?“ Freya schnaubte. „Nein, aber du wirst es sicher gleich sagen.“ Loki lächelte schelmisch und meinte dann: „Die haben dort auch die perfekte Musik um zu tanzen. Nicht so ein Standardtanz wie wir hier. Soll ich es dir zeigen?“
Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, als er schon mit den Fingern schnipste.
Das Orchester spielte wieder Musik, aber sie sahen sich dabei gegenseitig verwirrt an. Statt dem was sie eigentlich spielen wollten, kam Popmusik von Midgard aus ihren Instrumenten. Genauso Musik wie es Freya vor ein paar Nächten noch in einem Club vernommen hatte.
Die Tanzpaare sahen sich verwirrt an und wussten nicht, wie sie damit umzugehen hatten.
Freya konnte nicht anders und grinste über das gesamte Gesicht.
Nicht wegen der Musik oder wegen Loki.
Sondern wegen Urd.
Sie wurde gerade von Thor aufgefordert, als die seltsame Musik kam. Jetzt standen sie beide am Rand des Parketts und wussten nicht wie ihnen geschah. Hah! Punkt für sie!
Freya reagierte sofort.
„Das gefällt mir! Ich glaube ich weiß wie man darauf tanzt“, meinte sie und begann sich zum Rhythmus der Musik zu bewegen. Fandral sah Freya zuerst entgeistert dabei zu, aber irgendwann konnte sie ihn dazu animieren mitzumachen. Innerhalb kürzester Zeit waren auch die anderen dabei zu tanzen und das schönste daran war, dass es keine festen Tanzpartner mehr gab. Jeder tanzte mit jedem und Freya war daher regelrecht umzingelt von weiblichen, sowie von männlichen Tänzern. Es war wie in einem Club auf der Erde. Alle waren ausgelassen und hatten ihren Spaß. Alle, nur nicht Urd.
Sie saß wieder auf ihrem Platz und sah nicht allzu glücklich drein.
Obwohl ihr der Gedanke missfiel, musste sie doch im Geiste Loki danken, denn das war das Beste gewesen was passieren hätte können.
Apropos Loki.
Freya hörte auf zu tanzen und sah sich nach ihrem Cousin um.
Ihr war gar nicht aufgefallen, dass er bereits verschwunden war als sie angefangen hatte zu tanzen. Doch nun konnte sie ihn weder am Tisch noch auf der Tanzfläche entdecken. Sie bedeutete Fandral, dass sie eine Pause brauchte und ging Richtung Tisch, als hinter ihr ein Tumult ausbrach.
Sie zuckte zusammen und drehte sich um.
Auf der Tanzfläche wo sie eben noch gestanden war, rutschten ein paar Tänzer aus. Irgendwie war der Boden rutschig geworden. Den gefallenen Damen und Herren wurde aufgeholfen und dann achteten alle Tänzer darauf, dieser Stelle nicht mehr zu nahe zu kommen.
Loki…
Freya suchte nach dem Unheilstifter, als neben ihr plötzlich der Diener das Tablett mit Krügen wegschmiss und schrie. Freya stellte mit Entsetzen fest, dass sein Wams in Flammen stand. Sofort packte sie ein Tischtuch und stürzte sich damit auf den Diener. Auf dem Boden gelandet, schlug sie auf das Tuch, das die Flammen ersticken sollte ein. Als die Flammen aus waren, richtete sich der Diener auf und bedankte sich herzlich für ihre Rettung.
Sie lag auf dem Boden und versuchte sich ihre Haare aus dem Gesicht zu streifen. Thor trat auf sie zu und reichte ihr seine Hand. „Gut gemacht, Cousinchen“, meinte er und deutete mit einem Kopfnicken auf ihren hochgerutschten Rock. Freya war es nicht peinlich, trotzdem strich sie ihn wieder runter und nahm Thors Hand dankbar an.
„Das war ja seltsam“, begann Freya und richtete sich wieder voll auf. „Ja, schon“, murmelte auch Thor bestätigend.
Wieder suchte Freya nach Loki und entdeckte ihn tatsächlich gar nicht so weit entfernt.
Er lehnte mit verschränkten Armen im Halbschatten von einer der mächtigen Säulen und hatte einen undefinierbaren Blick aufgesetzt. Als er bemerkte, dass Freya ihn ansah, ließ er seine Hände hastig fallen und er verschwand im Schatten hinter ihm. Da es bereits begann zu dämmern, konnte er so ungesehen vom Fest abhauen.
„Entschuldige“, murmelte Freya zu Thor und hastete hinter Loki her.
Was fiel ihm nur ein?
Gerade hatte sie das Fest dominiert und Urd in ihre Schranken gewiesen, als Loki alles zunichtemachen wollte.
Na warte…
***
Freya tauchte in die Schatten zwischen den Säulen ein und hatte die Wahl zwischen dem Weg zum Garten oder dem Weg zu den Palasträumen. Loki würde es nicht wagen Zeugen zu haben wenn sie ihn stellte, daher war der Garten ausgeschlossen. Es war immerhin möglich, dass sich das eine oder andere Pärchen dahin zurückgezogen hatte.
Daher lenkte Freya ihre Schritte zu den Palasträumen.
Die Frage war nur, so er sich versteckte.
Sie lief den Gang entlang, als hinter ihr seine Stimme ertönte.
„Ich dachte du wolltest zu mir“, stellte Loki enttäuscht fest und Freya drehte sich blitzartig zu ihm um. Er hatte hinter einer der Säulen auf sie gewartet. Vermutlich unsichtbar, denn sonst hätte sie ihn eher entdeckt.
„Du ruinierst mal wieder alles!“, begann Freya und trat energisch mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihn zu. Loki zuckte mit keiner Wimper und verschränkte nur wieder seine Arme vor der Brust. „Vielleicht hätte ich das Orchester seine eigene Musik spielen lassen sollen, aber ich dachte, das würde dir vielleicht gefallen“, meinte er gleichgültig.
„Das meine ich nicht“, winkte Freya ab und blieb vor ihm stehen. „Das mit der rutschigen Tanzfläche und dem Diener der Feuer gefangen hat. Du wolltest nur mal wieder zeigen, dass du der Gott des Unheils bist und mit dir jedes Fest daneben geht!“, sagte sie lauter als beabsichtig und tippte ihm mit aller Kraft mit ihrem Zeigefinger in die Brust. Er ließ es über sich ergehen und sagte nichts. „Wahrscheinlich wolltest du vor Urd gut dastehen und ihr zeigen was du alles kannst, aber nicht wenn ich noch eine Rechnung mit ihr offen habe!“, schimpfte sie weiter. „Du kannst ihr morgen immer noch zeigen was für ein ‚achsotoller‘ Magier du bist, aber wage es nicht mir noch einmal dazwischen zu funken!“
Jetzt wurde es Loki zu bunt. Er packte ihren Arm mit dessen Zeigefinger sie auf seine Brust tippte, zog sie unsanft vor, tänzelte leichtfüßig um sie herum und drehte ihren Arm auf den Rücken. Dann drückte er sie mit dem Gesicht zur Säule und presste sich an ihren Rücken. In ihr Ohr flüsterte er, während er ihren Arm schmerzhaft verdrehte: „Ich war das nicht.“
„Wer sonst…“, begann Freya und biss auf ihre Unterlippe um ein Wimmern zu unterdrücken.
„Das war deine neue Freundin. Ich hatte damit nichts zu tun. Das hast du dir selbst zuzuschreiben“, zischte er und verdrehte ihren Arm noch etwas mehr.
Freya konnte nicht mehr anders und ein leiser Schmerzensschrei entwich ihrer Kehle.
Loki erstarrte und ließ ihren Arm so schnell los, als hätte er sich an ihr verbrannt. Während sie langsam ihren Arm hinter dem Rücken vor holte und sich von der Säule distanzierte, ging auch Loki ein paar Schritte von ihr weg. Freya drehte sich seitlich zu ihm um und hielt ihren Arm.
„Du hast Urd seit dem Moment als du die Treppe runterkamst, dumm dastehen lassen. Keiner hatte mehr Augen für sie und als ich ihr auch noch die Chance nahm zu tanzen, war das Maß voll und sie hat dir einige Zauber auf den Hals gejagt. Einige konnte ich rechtzeitig ablenken, aber das Eis auf der Tanzfläche und das Feuer habe ich nicht kommen sehen“, erklärte Loki ehrlich.
Freya schluckte und sah in Lokis Augen um herauszufinden ob er die Wahrheit sagte. Was sie sah, gefiel ihr ganz und gar nicht.
In seinen Augen lagen schmerz darüber, dass sie ihn verdächtigt hatte, stolz darauf, dass er sie beschützt hatte und tiefe Zuneigung. Für sie.
„Warum?“, fragte Freya schlicht und hielt sich noch immer ihren Arm.
„Warum ich dich vor ihrem Zauber beschützt habe?“, fragte Loki ehrlich überrascht. „Ist das nicht offensichtlich?“
Freya schwieg, sah ihn aber beharrlich an.
Lokis Mine wurde weich und er trat einen Schritt auf sie zu. Freya wollte sich ihm entziehen, aber er griff nur nach ihrem Arm. Seine langen, bleichen Finger umschlossen ihr Handgelenk und mit seiner linken Hand massierte er ihren Oberarm. Sie erkannte, wie grünes Licht aus seinen Fingern floss und die schmerzen sofort aufhörten. Während er ihr die Schmerzen nahm, sagte er: „Du bist die einzige Person in allen neun Reichen von Yggdrasil, die nicht zaubern kann und mich trotzdem immer wieder verzaubert und in ihren Bann zieht.“ Er hörte mit seiner Massage auf und ließ aber seine Hände da ruhen, wo er sie aufliegen hatte.
Mit einem tiefen Blick in ihre Augen sagte er fast flüsternd: „Du bist meine kleine Prinzessin und wer es wagt dir etwas anzutun, spürt meinen Zorn. So war es schon immer.“ Er kam ihrem Gesicht langsam näher. „Und so wird es immer bleiben“, schloss er und berührte ihre Lippen sachte mit den seinen.
Der Kuss dauerte nicht lange an und als er sich von ihr löste, hätte Freya am liebsten ihre Arme um seinen Nacken geschlungen und ihn weitergeküsst. Doch sie konnte den Impuls unterdrücken. Langsam öffnete sie ihre Augen und sah in die seinen.
Normalerweise hätte er sie breit angegrinst oder listig seine Mundwinkel verzogen, weil sie den Kuss offensichtlich genossen hatte, aber er sah sie nur ernst an. Er hatte es ernst gemeint.
„Ich habe dich am Fuß der Treppe vermisst“, flüsterte Freya.
Loki lehnte sich etwas vor zu ihr. „Ich weiß.“
Freya öffnete den Mund um etwas zu fragen, als er schon seinen Zeigefinger auf ihre Lippen gelegt hatte. „Und genau darum war ich nicht zur Stelle. Jeder andere Mann war von deinem Anblick erstarrt. Wenn ich auf dich zugegangen wär, hätten sich alle gefragt warum ich von deinem Auftreten nicht beeindruckt gewesen war“, erklärte er ihr.
Sie lächelte und sagte trotz des Zeigefingers: „Du bist nicht wie jeder andere Mann.“ Loki nahm seinen Zeigefinger von ihren Lippen und wusste nicht, ob es ein Kompliment war oder nicht.
Sie wussten beide, dass er nicht wie jeder andere Krieger war.
Er war das Gegenteil von allen Kriegern Asgards. Er war Magier, Hinterlistig, Klug, belesen bleich und wenn auch hochgewachsen, eher schlank und nicht muskulös. Er war das Gegenteil von allen Helden von denen Freya immer schwärmte. Er war das Gegenteil all dessen, was er sein wollte.
Freya spürte seinen inneren Kampf. Sie machte einen kleinen Schritt auf ihn zu und schmiegte sich an ihn.
„Du warst und bist immer für mich da gewesen. Du bist mein Unheilstifter und niemand kennt mich besser als du“, hauchte Freya und sah auf in seine Augen. Loki schluckte und sah auf sie herab.
Auch wenn sie es offensichtlich ernst meinte, trat er von ihr weg und wandte sich ab.
Freya sah ihm verwirrt dabei zu und als er davonging, fragte sie hinterher: „Was hast du vor?“
Loki antwortete über seine Schulter zurück: „Ich muss mir etwas für Prinzessin Urd ausdenken.“
Unmerklich lächelte sie.
Natürlich hätte sie es lieber gehabt wenn er sie jetzt noch einmal geküsst hätte, aber die Aussicht auf einen Streich von Loki, der nicht sie involvierte, war ebenso berauschend. Sie drehte sich um und ging zurück zum Fest.
Loki ging den Gang Richtung Bibliothek entlang und schmunzelte.
Seine Freya hatte doch Gefühle für ihn.
Wenn er jetzt nicht gegangen wäre, und darüber war sich Loki sicher, hätte er sie noch einmal geküsst und zu etwas gebracht, was sie am nächsten Morgen wieder bereut hätte. Nein, das wollte er so schnell nicht wiederholen und darum suchte er Abstand zu ihr. Trotzdem war es ein schönes Gefühl ihr nahe zu sein und sie zu küssen.
Doch jetzt hatte er zuerst eine Aufgabe zu erledigen und vielleicht würde sich Freya dafür erkenntlich zeigen.
Kaum war Freya in Sichtweite des Festes gekommen, erinnerte sie sich an die Worte Lokis und der düstere Gesichtsausdruck in Urds ebenmäßigem Gesicht unterstrich die Tatsache, dass sie ohne Lokis Hilfe nicht sicher vor ihr war. Das Fest war für Freya also bereits gelaufen.
Niedergeschlagen drehte sie den Gesellschaft ihren Rücken zu. Schade, sie hatte sich darauf gefreut noch etwas mehr zu der Midgardischen Musik zu tanzen. Mit einem Seufzer auf ihren Lippen schlenderte sie langsam zurück in ihre Gemächer.
Da es noch recht früh am Abend und Freya alles andere als Müde war, warf sie sich ihr dünnes, fast durchsichtiges Nachthemd mit den Spitzenbesätzen über und verkrümelte sich in ihr Bett um zu lesen.
Mitten in der Nacht schlich sich Loki leise in ihr Schlafzimmer und nachdem er ebenso leise die Türe hinter sich geschlossen hatte, flüsterte er ihren Namen gerade so laut, dass sie ihn hören musste.
Irgendwie schien Freya tatsächlich gespürt zu haben, dass jemand in ihrem Zimmer war und sie wecken wollte, denn augenblicklich saß sie kerzengerade in ihrem Bett auf. Völlig verschlafen blinzelte sie in Lokis Richtung. Er schmunzelte wegen ihres Anblicks.
Ihre Haare fielen ihr nicht mehr so geordnet über ihre Schultern sondern standen teilweise etwas wirr ab und als sie sich aufgerichtet hatte, rutschte ein Buch von ihrer Bettdecke auf den Boden.
„Was ist los?“, fragte Freya nuschelnd und rieb sich ihre müden Augen.
„Ich habe etwas für sich“, meinte Loki und schnipste mit seinen Fingern. Sofort gingen die Kerzen im Raum an und erhellten Freyas Schlafzimmer gerade soweit, dass sie einander sehen konnten.
Freya richtete ihren Blick auf Loki und erstarrte.
Er war noch immer in seinem festlichen Aufzug, allerdings sah er nun aus als wäre er in eine Schlacht geraten. Sein linker Arm steckte nur noch in Stofffetzen, sein Oberkörper war mit Ruß oder Dreck übersäht und an einigen Stellen schien der Stoff sogar noch zu schwelen, denn er rauchte. Doch nicht nur seine Kleidung verhieß nichts Gutes. Seine, sonst so ordentlich nach hinten gegeelten, schwarzen Haare waren verwuschelt und standen teilweise senkrecht nach hinten ab. Sein Gesicht war ebenso rußverschmiert wie seine Kleidung, sein linker Arm unter den Stofffetzen schien übel zu bluten und auch in seinem Gesicht, über seiner rechten Augenbraue befand sich eine frische Wunde.
„Was hast du nur getan?“, fragte Freya und sprang so schnell sie konnte aus dem Bett und rannte auf ihn zu.
Sie blieb vor ihm stehen und sah seinen fragend dreinsehenden Blick.
„Du blutest“, stellte sie fest und legte ihre linke Hand an seine Wange um seinen Kopf drehen zu können und die Wunde ansehen zu können.
„Ach, das“, meinte Loki und wollte zur Wunde fassen, als Freya ihm auf die Finger haute. „Nicht, du infizierst sie nur mit deinen dreckigen Fingern“, schimpfte sie und nahm eben diese Hand, um ihn zu ihrem Schminktisch zu führen.
„Setz dich“, kommandierte sie ihn herum und deutete auf den Hocker, dann verschwand sie im Bad um eine Schüssel mit klarem Wasser und ein sauberes Tuch zu holen. Kaum war sie zurück, schlug sie ihm noch einmal auf die Finger, als er versuchte seine Wunde am Arm zu begutachten. Loki sah genervt auf und wollte etwas sagen, aber als er ihres bösen Blicks gewahr wurde, schloss er seinen Mund wieder
Freya reinigte nicht nur die Wunde an seiner Augenbraue schweigend, sondern auch die an seinem Arm und anschließend befreite sie sein restliches Gesicht vom Ruß. Anschließend gab sie etwas von ihrem Heiltonikum darauf und klebte ihm sogar ein Pflaster auf die Wunde. Am Arm musste sie ihn jedoch einbandagieren, da die Wunden zu lang waren um ein Pflaster zu bekommen. Während sie seinen Arm einwickelte, fragte sie: „Was ist passiert?“
Loki lächelte leicht.
Es war kein verächtliches lächeln oder ein siegessicheres oder sonst irgendeines seiner boshaften Lächler, sondern vielmehr ein verlegenes schmunzeln.
„Ich habe an etwas gearbeitet und dabei musste ich feststellen, dass eines meiner Elixiere nicht gut mit einem Zauberspruch harmoniert. Ein Fehler, der mich fast meinen Arm und die Hälfte meines Schlafzimmers gekostet hat“, erläuterte er ihr. Leicht zu ihr gebeugt fügte er noch hinzu: „So etwas ist mir schon lange nicht mehr passiert.“ Freya verknotete den Verband und sah ihn ebenso schmunzelnd an. „Vielleicht warst du abgelenkt?“
Loki sah ihr ernst in die Augen. „Das war ich mit Sicherheit.“
Freyas lächeln erstarb und sie schluckte. Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, dass sie ein fast durchsichtiges und tief ausgeschnittenes Nachthemd trug. Sie wollte ihre Hände wieder von seinem Arm zurückziehen, als er ihre linke Hand nahm.
„Ich habe an etwas gearbeitet“, meinte er und zog mit seiner linken ein glitzerndes etwas aus seiner Hosentasche.
Freya erkannte was es war, als er es ihr um ihr Handgelenk legte und verschloss.
An ihrem Handgelenkt glitzerte ein fein gearbeitetes Armkettchen, das aussah als wäre es aus Glas. Aber es fühlte sich schwerer und wesentlich stabiler als Glas an. Außerdem waren grüne Edelsteine darin verarbeitet.
„Die Edelsteine sind Smaragde von der Erde und das Kettchen habe ich aus einer Glas- und einer Drachenschuppe gearbeitet“, erklärte ihr Loki. Freya zog ihren Arm von ihm weg und besah sich das Kettchen genauer. Loki beobachtete sie und fügte hinzu: „Falls du dich daran erinnerst, sollte ich den Schwarzalfen ein Jahr lang zur Hand gehen, nachdem ich Brisingamen gestohlen hatte. Dieses Wissen habe ich in dieses Schmuckstück eingearbeitet. Die Drachenschuppe und meine Zauberformeln bewirken, dass der Träger des Kettchens vor allen möglichen Zauberflüchen sicher ist.“
Freya sah ergriffen auf und verschränkte ihre Arme schützend vor ihrer Brust.
„Das bedeutet mir wirklich viel, danke Loki“, flüsterte sie und sah wieder auf das Kettchen an ihrem Handgelenk runter. Loki nickte ihr zu.
„Versprich mir nur, es immer zu tragen“, bat er.
Sie nickte und sah ihn dann fragend an. „Beschützt es mich auch vor deinen Zaubern?“, fragte sie neugierig. Diesmal grinste Loki hinterlistig.
„Aha“, stellte Freya fest und verzog ihren Mund.
„Wann habe ich dich schon mal mit einem Zauber belegt?“, fragte Loki zurück.
Freya dachte nach.
„Soweit ich weiß, noch nie. Aber das könnte nur wieder ein Zauber gewesen sein“, sagte sie.
Loki tat gespielt entrüstet: „Ich würde dich nie mit einem Zauber belegen.“
„Anlügen ja, aber nicht verzaubern?“, hakte Freya zweifelnd nach.
Loki nickte.
„Lügner“, meinte Freya und lächelte. „Du hast mich bereits verzaubert“, fügte sie hinzu und beugte sich vor um ihn zu küssen.
Er kam ihr entgegen und begrüßte ihre Lippen indem er ihr Gesicht in beide Hände nahm. Sofort war sie auf seinem Schoss und bedeckte sein Gesicht und seine Nase mit küssen, nur um wieder und wieder zurück zu seinen Lippen zu wandern. Loki hatte inzwischen seine Hände auf ihrer Hüfte ruhen, damit sie nicht von seinem Schoss rutschte. Als ihr Kuss immer intensiver wurde und sie um die Vorherrschaft kämpften, unterlag Freya. Er nahm seinen Preis in Empfang und stand mit ihr auf. Mit einer Handbewegung fegte er die Gegenstände von ihrem Schminktisch und setzte Freya ab. Mit seinem Unterleib spreizte er ihre Beine und packte ihre Hüfte um sie an sich zu pressen.
Sie stöhnte auf und er unterbrach den Kuss.
Mit einem seiner tiefgehenden Blicke fragte er hinterlistig: „Hast du nicht gestern Abend erst gesagt, dass sich das nie wiederholen wird?“
Sofort lehnte sich Freya etwas von ihm weg und sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Dann packte sie seinen angesengten Kragen, zog ihn zu sich her und hauchte in sein Ohr: „Das war Mädchensprache für ‚Das wird sich nie in deinem Zimmer wiederholen‘.“ Dann küsste sie das Ohrläppchen, dass sie ihm erst vor etwas mehr als 24 Stunden blutig gebissen hatte. Genüsslich wanderte sie mit ihren Lippen von seinem Kiefer zu seinem Hals und ließ ihre Zunge über seinen Adamsapfel wandern.
„Oh, ich verstehe“, brachte Loki hervor und unterdrückte ein aufseufzen. „Ich kann mich morgen aus deinem Zimmer schleichen ohne gesehen zu werden.“
Freya sah auf und ihre Augen funkelten auf. „Exakt.“
Sie richtete sich wieder auf, packte seinen Überzug und zog ihn aus. Als Loki nur noch in Hemd und Hose dastand, fügte sie hinzu: „Und jetzt küss mich.“
Loki grinste schief. „Und wo?“
Freya verdrehte ihre Augen. „Zwing mich nicht dir weh zu tun“, drohte sie spielerisch.
„Alles was die kleine Prinzessin will.“, sagte Loki grinsend und setzte hinzu: „Ich gehöre ganz dir.“
Freya verdrehte die Augen und wollte etwas sagen, aber Loki ließ sie nicht zu Wort kommen. Seine Lippen fanden die ihren und der Kuss entbrannte in glühender Leidenschaft. Nicht nur seine Zunge wollte immer mehr, sondern auch seine Hände.
Seine Finger fanden den Weg unter den dünnen Stoff des Nachthemds und wanderten hoch, bis sie ihren Hintern erreicht hatten. Während er sich weiter in den Kuss hineinlehnte und sie ihre Arme um seinen Nacken schlang, packte er ihren Po und presste sie fest an sich.
Freya stöhnte verlangend auf, als sie zwischen ihren Beinen seine Erregung spürte.
Sofort wandte sich Loki mit Freya vom Schminktisch ab und zum Bett hin. Während er sie sachte aufs Bett legte, so als wäre sie zerbrechlich, entledigte sich Loki seiner restlichen Kleidung und kam hinter Freya her. Ihre Lippen trafen sich wieder in einem heißen Kuss und dabei ergriff er diesmal den Saum ihres Nachthemds. Mit wenigen Bewegungen war ihr Nachthemd über den Kopf gezogen und außer Reichweite gesegelt.
Loki hielt inne und besah sich ihren Körper.
Obwohl er sie bereits nackt gesehen hatte, fühlte sich Freya jetzt mehr als jemals zuvor unwohl. Sie wollte ihre Blöße mit fahrigen Fingern bedecken, als Loki einen Zeigefinger hob. „Nicht“, bat er sie und sie hielt tatsächlich inne.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht flüsterte Freya: „Aber ich bin zu dick.“
Loki sah ihr in die Augen und lehnte sich weit zu ihr herab.
„Du bist vollkommen“, flüsterte er.
„Aber Urd…“, begann Freya von neuem und sein Zeigefinger verschloss augenblicklich ihre Lippen.
„Urd weiß genau wie alle anderen, dass du die schönste Frau in allen neun Reichen bist. Da sie dagegen nicht ankommt, hat sie Zweifel gesät“, erklärte Loki und zeichnete dabei ihre Lippen mit seinem Finger nach. „Außerdem“, fügte er noch weich hinzu „bist du auch innerlich die schönste Frau.“
Er hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. „Du bist Stolz“, begann er und strich mit seinem Daumen über ihre Unterlippe zu ihrem Kinn, von dort aus strich er ihr über ihren Hals zu ihrem Schlüsselbein. „Ehrlich“, seine Finger fuhren weiter an ihrem Körper hinab, während er ihr ununterbrochen in die Augen sah. „Liebevoll“, sein Zeigefinger erreichte ihre rechte Brust und er zwickte ihr sachte in ihren Nippel, bevor er seinen Weg weiter fortsetzte. „Zärtlich“, er strich ihr über ihren Bauch und sein Finger umkreiste ihren Nabel. „Kämpferisch“, Loki legte seine flache Hand auf ihren Bauch und drehte sie so, dass seine Fingerspitzen den weiteren Weg vorangingen. „Charakterstark“, ohne den Augenkontakt zu unterbrechen glitt seine Hand mit den Fingerspitzen voraus zwischen ihre Beine. „Und so leicht zu manipulieren“, fügte er noch hinzu und sah genüsslich dabei zu wie Freya die Augen schloss und aufseufzte, während er mit seinem Mittelfinger an der empfindlichsten Stelle ihres Körpers rieb.
„Aber nur von einer einzigen Person“, brachte Freya hauchend hervor und spürte wie sich ihr ganzer Körper danach sehnte Loki in sich zu spüren.
Doch er lächelte nur wissend und beugte sich zu ihrem Ohr herab. „Und wer ist diese Person?“, fragte er leise und kam ihrem Gesicht dabei so nahe, dass seine Nase fast ihre Wange berührte.
Freyas Atmung ging schneller während er weiterhin in ihrem Schoß seinen Mittelfinger rieb. „Thor“, seufzte Freya und grinste.
Lokis Gesicht entfernte sich von ihrem Gesicht um sie überrascht anzusehen. „Wenn das so ist“, meinte er nur und wollte seine Hand zurückziehen. Aber Freya bat: „Nicht“ und ergriff seine Hand um sie wieder dahin zu legen wo sie war.
Er schmunzelte leicht, nahm aber seine Tätigkeit von eben nicht wieder auf. Stattdessen lehnte er sich wieder etwas zu ihr vor und verlangte zu wissen: „Wer kann dich ganz leicht manipulieren?“ Freya sah ihm kämpferisch in die Augen.
Wenn sie ihm nachgab, würde er das auf ewig auskosten aber wenn nicht, würde er sich vielleicht ganz von ihr zurückziehen.
Aber er wollte es hören.
Er wollte hören, dass nur er jeden Dreh und Angelpunkt an ihr kannte um zu erreichen was er wollte.
„Sag es“, forderte er von ihr und er übte mit seiner Hand etwas Druck auf ihren Schambereich aus.
Freya stöhnte auf und legte ihre Hand auf die seine, um den Druck zu verstärken.
„Du“, hauchte sie und ihre Stimme versagte ihren Dienst. Mit flehendem Blick suchte sie seinen Blick, aber Loki war das nicht genug.
„Sag es in einem ganzen Satz“, befahl er ihr.
„Nur du kannst mich manipulieren“, hauchte Freya fast tonlos. Da er aber nichts weiter unternahm, sondern das gesagte erst einmal zu genießen schien, flüsterte sie: „Bitte…“
Augenblicklich war Loki wieder im hier und jetzt und er beugte sich zu ihr herunter um sie leidenschaftlich zu küssen. Gleichzeitig drang er mit Zeige- und Mittelfinger in sie ein und entlockte ihr das eine oder andere stöhnen.
Sie zog ihre Hand, die auf der seinen geruht hatte, zurück und umschlang seinen Nacken. An seinem Hinterkopf spielte sie mit seinen wirr abstehenden, schwarzen Haaren. Mit ihrem Unterleib presste sie sich verlangend gegen ihn, während er ihr Gesicht immer wieder genau musterte, wenn sie den Kuss unterbrach um aufzuseufzen. Seine langen Finger zogen sich immer wieder aus ihr zurück, nur um tiefer in sie vorzustoßen. Schließlich war ihm das nicht genug und er zog zuerst seine Finger und anschließend seine Hand aus ihrem Schoss zurück.
Der lustverhangene Ausdruck in Freyas Augen intensivierte sich als er diesmal mit seiner harten Männlichkeit in sie vordrang.
Loki wartete nicht bis sie sich an ihn gewöhnt hatte sondern er begann sich sogleich in ihr zu bewegen. Freyas stöhnen bekam mehr Stimme und sie stieß einen spitzen schrei aus. Zuerst war Loki besorgt, er könnte ihr Schmerzen zugefügt haben, aber als er ihr Gesicht genauer betrachtete, stellte er fest, dass es ihr gefiel.
Sie umschlang seinen Unterleib mit ihren Oberschenkeln, spreizte dadurch ihre Beine etwas mehr und vergrub ihre Fersen in seinen angespannten Pobacken. Er wollte sie küssen, aber er hielt es nicht aus seine Bewegungen auch nur eine Sekunde zu unterbrechen.
Ihr ganzer Körper spannte sich an und sie übte mit ihren Fersen mehr Druck auf seinen Hintern aus, um Loki immer tiefer in sich zu spüren.
Es machte ihn fast verrückt vor verlangen, wie sie sich anspannte, damit immer enger wurde, ihre Hände in seinen Haaren vergraben hatte und wie sie ihren Mund öffnete um zu stöhnen. Er spürte, dass er sich nicht mehr länger zurückhalten konnte und er legte seinen Kopf in den Nacken. Mit einem Stoßgebet hoffte er mit zusammengepressten Lippen, dass sie doch noch vor ihm kam.
Freya unter ihm legte eine Hand auf seine Wange um ihn dazu zu bringen, sie anzusehen, als sie laut aufstöhnte. Ihre Blicke trafen sich und mit rauer Stimme flüsterte sie: „Loki.“
Das war zu viel für ihn und mit einem letzten aufbäumen entlud er sich in ihr. Kurze Zeit nach ihm kam auch Freya und als er anschließend entkräftet sein Gesicht in ihrer Halsbeuge vergrub, streichelte sie mit einem Lächeln über seinen Rücken und kraulte seine Haare.
Loki stemmte sich noch einmal hoch und sah ihr ins Gesicht. „Das war die Rache, nicht wahr?“
Freya schmunzelte.
„Wer kann dich so manipulieren?“, fragte sie schelmisch zurück.
Er grinste, sagte aber: „Guter versuch, aber ich werde nicht nachgeben.“
Freyas schmunzeln verschwand augenblicklich und mit ungeahnten Kräften hatte sie Loki auf den Rücken gedreht. Jetzt saß sie auf ihm und während sie seine Hände über seinem Kopf zusammenhielt, meinte sie nur: „Dann muss ich dich zu deinem Glück zwingen.“
Loki lächelte und wollte etwas Cleveres sagen, als sich ihre Lippen wieder in einem heißen Kuss trafen.
***
Freya erwachte am folgenden Morgen an einem Geräusch.
Sie blinzelte gegen das Sonnenlicht und den Schlaf in ihren Augen an. Eine gedämpfte Unterhaltung riss sie dann vollends aus ihren schlaftrunkenen Gedanken.
Mit einem Ruck saß Freya aufrecht im Bett. Die Bettdecke bis unter ihr Kinn gezogen, stellte sie zweierlei Dinge gleichzeitig fest: Erstens, Loki war nicht mehr hier und zweitens: ihre Kammerzofen waren eingetreten und versuchten das Chaos um ihren Schminktisch zu beseitigen. Als sie gewahr wurden, dass Freya aufgewacht war, unterließen sie ihre Aufräumarbeiten und knicksten.
„Guten Morgen Prinzessin. Wir wollten Euch nicht wecken…“, begann die jüngere von beiden entschuldigen. Freya winkte ab. „Schon gut, ich hab genug geschlafen“, murmelte sie. Die beiden Mädchen lächelten entschuldigend und wandten sich wieder ihrer Aufgabe zu.
„Es tut mir leid, ich war gestern nicht ganz ich selbst“, wollte Freya die Unordnung erklären, ließ es dann aber doch sein. Lügen war nicht ihre Stärke.
Da spürte sie plötzlich, wie sich ihr Bett bewegte. Unmerklich nur, und nur feststellbar von Freya, da sie mitten im Bett saß, aber es fühlte sich so an, als würde jemand ins Bett klettern. Freya sah sich verwirrt um, konnte aber niemanden sehen.
Mit gerunzelter Stirn sah sie zu den Kammerzofen, aber die waren beschäftigt und sahen nicht zu ihr. Plötzlich hörte sie Lokis Stimme in ihr Ohr flüstern: „Du solltest nicht lügen. Du wirst immer so nervös, dass du einem nicht mehr in die Augen sehen kannst.“
Sie konnte nicht umhin, unmerklich zu lächeln.
„Ich weiß, darum habe ich nichts mehr gesagt“, zischte Freya unmerklich und lächelte eines der Mädchen an. Sie spürte Lokis Lippen auf ihrer Wange und unterdrückte den Versuch sich zu ihm zu drehen und ihn zu küssen.
Die beiden Mädchen hatten die Unordnung beseitigt und standen vom Boden auf.
„Ihr könnt mein Zimmer aufräumen und mein Bett machen, ich gehe ins Bad“, meinte Freya und wollte zum Bettrand rutschen, als Loki hinter sie gerutscht zu sein schien und sie umschlang. Damit konnte sie nicht mehr vom Bett runter, ohne seltsame Luftkämpfe gegen einen Imaginären Feind durchzufechten. Freya lächelte die wartenden Mädchen schräg an.
„Wobei, ich will eigentlich noch nicht aufstehen“, begann Freya und versuchte Loki mit einer wedelnden Handbewegung zu verstehen zu geben, dass er damit aufhören solle. Für die Mädchen sah es aus, als wollte Freya eine Fliege davonscheuchen. Loki vergrub sein Gesicht in ihrem Nacken und ließ seine Hände, die er auf ihrem Bauch ruhen hatte, unter der Bettdecke zu ihren Brüsten hochwandern.
Freya unterdrückte einen überraschten Aufseufzer und erklärte: „Ich, ich habe Migräne.“ Sie fasste sich an den Kopf und versuchte eine leidensvolle Miene zu machen, während Loki sich von hinten an sie presste und ihre Brustwarzen zu massieren begann. Freya hätte gerne etwas unternommen um ihn davon abzuhalten, aber das wäre seltsam gewesen. Stattdessen tat sie das einzige was sie tun konnte. Sie fauchte die Mädchen an, dass sie verschwinden sollen.
Die Kammerzofen sahen sich verwirrt an und regten sich nicht. Freya wurde es zu bunt. „Na los, verschwindet!“, sagte Freya lauter als eigentlich beabsichtigt. Daraufhin zuckten sie überrascht zusammen und machten sich sofort aus dem Staub. Anscheinend hatte die Prinzessin auf dem Fest gestern zu viel getrunken.
Kaum waren die schweren Türen ins Schloss gefallen, wand sich Freya aus Lokis Umarmung und versuchte Abstand zu dem Unsichtbaren zu gewinnen indem sie etwas von ihm wegrutschte.
„Hast du den Verstand verloren?“, fragte Freya wütend.
„Ich war schon auf dem Sprung zu gehen, als die Mädchen das Zimmer betraten. Mir blieb nichts anderes übrig als hier zu warten, bis sie fertig sind“, begann die Stimme von Loki zu erklären. „Das hättest du auch unauffällig tun können“, grummelte Freya und wandte sich von der Stimmrichtung von Loki ab, um das Bett zu verlassen und ins Bad zu gehen.
Plötzlich kam die Stimme jedoch vom Bettrand. „Das hätte nicht so viel Spaß gemacht als das hier“, erklärte seine Stimme und dabei trafen seine unsichtbaren Lippen die ihre. Freya riss die Augen auf und versuchte sich an das Gefühl zu gewöhnen, etwas nicht Sichtbares zu küssen. Sie tastete nach seinem Körper und fand seine Brust. Er hatte sich bereits etwas angezogen, denn sie ertastete den Stoff seines Anzugs. Sie packte seinen Kragen und riss ihn von ihren Lippen weg. Mit drohendem Blick versuchte sie in seine Augen zu sehen, während sie sagte: „Lass das Loki. Ich bin jetzt nicht in der Stimmung dafür!“
Augenblicklich löste sich der Zauber und Loki wurde sichtbar.
Da wo sie hingesehen hatte, war sein Kinn gewesen, aber immerhin hatte er trotzdem auf sie gehört.
Er lächelte und sagte mit schiefgelegtem Kopf: „‘Jetzt nicht‘ bedeutet ‘später‘.“ Freya dachte über seine Worte nach und als sie erkannte, auf was er anspielte wollte sie ihm darauf etwas antworten. Aber er küsste sie nur kurz und meinte mit einem zwinkern: „Frühstück!“
Dann hatte er sich aus ihrem Griff befreit und sprang leichtfüßig vom Bett und zu den Flügeltüren. Freya sah ihm ungläubig dabei zu, wie er sich wieder unsichtbar machte als er hindurchschlüpfte.
„Dieser Mann“, grummelte sie und kletterte aus dem Bett um zu duschen.
Beim Frühstück hatten sich alle rechtzeitig eingefunden.
Odin und seine Frau Frigga, ihr schlechtgelaunter Gast Urd, ihre Söhne Thor und Loki und ihre Nichte Freya, die immer noch Kopfschmerzen vortäuschte. Die Kammerzofen tratschten und hatten ihrer Tante sicherlich schon alles berichtet. Um Glaubhaft zu bleiben, tat sie so als würde sie es nicht ertragen an der Tischunterhaltung teilzunehmen.
„Sag an Loki“, begann Thor gleich als erster beim Frühstück, „wie kommt es, dass du ein Pflaster trägst? Hat dich deine Magie verlassen? Normalerweise heilst du doch jede Schramme gleich wieder.“ Freya sah auf und betrachtete Loki überrascht.
Er trug tatsächlich noch das Pflaster über seiner rechten Augenbraue. Thor hatte recht damit, dass Loki jeden noch so kleinen Kratzer heilte und dass er vor allem in seinem Gesicht darauf achtete, dass alles in Ordnung war und ihn nichts entstellte.
Loki lächelte schräg, gab aber keine Antwort auf Thors Frage.
Um keine Außenseiterin zu sein, fragte Urd interessiert: „Wie ist das überhaupt geschehen? Gestern auf dem Fest hattet ihr noch keine Wunde.“
„Schön dass Ihr fragt“, erklärte Loki und erzählte von einem missglückten Zauberexperiment zu später Stunde und dass er dann keine Lust mehr gehabt hatte einen weiteren Zauber anzuwenden um sich zu heilen. „Außerdem“, fügte er noch an und zwinkerte Urd verschwörerisch zu, „Wie soll aus mir jemals ein gefürchteter Krieger werden, wenn ich meine Narben sofort wieder verschwinden lasse?“
Thors Mund fiel auf, Odin und seine Frau sahen Loki überrascht an und Freya versteifte sich.
Das war zum einen genau das Gegenteil dessen, was sie von Loki erwartet hätten und zum anderen war es genau dasselbe gewesen, was Freya Loki vor fast zehn Jahren vorgeworfen hatte.
Freya legte ihr Besteck auf ihre Teller und meinte gleichmütig: „Das war keine Kriegsverletzung und ich bezweifle, dass ein entstelltes Gesicht hilfreich dabei sein kann seine Feinde in die Flucht zu schlagen.“
Thors Mund klappte noch weiter auf (soweit das überhaupt noch möglich war) und alle anderen sahen Freya so an, als wäre sie plötzlich aus dem Boden erwachsen. Loki dagegen schmunzelte nur.
„Was in aller neun Weltennamen geht denn hier vor?“, fragte Thor verwirrt und seine Mutter vermutete: „Loki, hast du wieder einen Streich gespielt?“ Loki sah verwirrt drein, denn seine Mutter hatte Freya dabei angesehen und nicht ihn. Er wollte fragen, was damit gemeint war, als Odin vermutend hinzufügte: „Einen Seelentausch-Zauber vermutlich. Loki, das hätte euch beide umbringen können!“ Odin sah Freya strafend an und sie blinzelte verwirrt.
Loki ging sofort ein Licht auf und er trat Freya unmerklich unter dem Tisch.
An ihrer Stelle meinte er: „Das war schrecklich! Ich bin heute Morgen in Lokis Bett aufgewacht und dachte ich wäre in einem Albtraum! Sein Zimmer sah schrecklich aus! Und als ich aufstand, stellte ich fest, dass ich… dass ich…“, Loki schluckte und es traten ein paar Tränen in seine Augen. Freya sah ihm mit offenem Mund dabei zu, wie er seine Hände vor die Augen schlug.
„Ach komm schon!“, rügte Freya ihn und wollte eigentlich sagen, dass sie niemals so klang, als ihre Tante sie strafend ansah. Odin donnerte ebenso mit gebieterischer Stimme: „Loki, sobald diese Sache ausgestanden ist, will ich dich unter vier Augen sprechen!“
Alle am Tisch zuckten wegen der Lautstärke zusammen und Freya wurde ganz klein.
Loki schniefte und sah flehend zu seinem Vater auf. „Wie lange wird das andauern?“
Odin sah Loki weich an und erklärte seiner vermeintlichen Nichte: „Vermutlich ein paar Stunden. Ich bezweifle, dass so ein mächtiger Zauber lange anhalten wird.“
Nach dem Frühstück, das schnell nach diesem Fiasko beendet wurde, kam Thor an Lokis Seite und legte liebevoll seinen Arm um seine Schultern.
„Oh Mann, da hat er sich wieder was Dummes ausgedacht, nicht wahr Freya? Ich meine, Lokis Körper? Wer will schon freiwillig da drin stecken?“, fragte er scherzend und deutete auf Lokis Brust. Freya schmunzelte, als sie Lokis gequälten Gesichtsausdruck sah. Thor sah Freya mit gerunzelter Stirn an und kam an Lokis Ohr. „Ganz im Ernst jetzt: fragst du dich nicht auch warum er seinen Körper ausgerechnet mit dir tauschen wollte? Ob da was dahinter steckt?“ Loki fiel sein Mund auf.
Entweder unterstellte ihm sein Bruder Interesse an Freya, oder Interesse an einem weiblichen Körper.
Freya boxte Thor in die Schulter. „Das war ein missglücktes Experiment, erinnerst du dich noch? Ich wollte eigentlich den Körper mit DIR tauschen“, erklärte Freya. Thor und Loki sahen Freya beide erstaunt an. Freya schmunzelte und stellte überrascht fest, dass sie Lügen konnte ohne schlechtes Gewissen zu haben oder jemandem nicht in die Augen sehen zu können. Um ehrlich zu sein, machte das sogar richtig Spaß!
„Ja, ich habe dazu ein blondes Haar von dir gebraucht, aber es war wohl doch ein Haar von Freya und jetzt stecke ich in diesem Weiberkörper!“, führte Freya selbstbewusst aus und ließ die beiden Jungs stehen. „Und dann diese unpraktischen Kleider“, schimpfte sie und raffte das Kleid ungeschickt. Thor nahm seine Hand von Lokis Schulter und sah Freya hinterher.
Loki neben ihm schniefte noch einmal. „Ich wollte immer Hosen tragen, aber jetzt ist es mir unmöglich ein Kleid zu tragen“, jammerte er und folgte Freya mit hängenden Schultern. Thor kratzte sich an seiner Schläfe.
„Diese Situation überfordert mich“, brummte er und wandte sich ab, um zu den Ställen zu gehen.
Freya und Loki steuerten den einzigen Ort an, an dem sie ungestört miteinander reden konnten: die Bibliothek. Kaum war die Türe hinter ihnen zu, atmete Loki kurz auf und Freya sah ihn entgeistert an.
„Was ist eigentlich gerade passiert? Irgendwie habe ich den Anfang nicht mitbekommen. Glauben die alle, dass wir in den falschen Körper stecken? Wie das?...“, sprudelte Freya los und folgte Loki zu den Sofas unter den großen Fenstern. Loki antwortete nicht, sondern lies Freya erst einmal ihre Fragen stellen und ihre Gedanken sortieren. Schließlich waren sie bei den Sofas angekommen und sie plapperte noch immer. „…und wenn wir erwischt werden? Wenn jemand herausfindet, dass ich gelogen habe?“
Loki drehte sich zu ihr um und presste seinen Zeigefinger an ihre Lippen um sie endlich zum Schweigen zu bringen. Dabei sah er nicht amüsiert aus, sondern vielmehr warnend. Sofort verschluckte Freya was sie sonst noch sagen wollte.
„Wir waren unvorsichtig“, erklärte Loki und nahm seinen Finger von ihren Lippen. „Unterhaltungen die wir geführt haben und von denen niemand etwas weiß, sollten wir nie wieder dazu verwenden uns gegenseitig zu sticheln. Die anderen wussten nicht, dass ich dich und du mich nachgemacht hast“, führte er weiter aus. Freya runzelte die Stirn und wollte etwas sagen, als Loki noch anfügte: „Und wir sollten uns auch nicht zeigen, wie gut wir uns kennen, wenn die anderen dabei sind. Jetzt denken sie nämlich, dass wir in verschiedenen Körpern stecken.“
Freya schloss ihren Mund wieder und nickte verstehend.
„Und was machen wir jetzt?“
Loki überlegte kurz und dann meinte er schulterzuckend: „Wir halten ein paar Stunden die Rolle aus und dann tun wir so als würde der Zauber verfliegen und wir sind wieder wir.“ Freya verdrehte die Augen. „Ich bekomme Kopfweh wenn ich darüber nachdenke. Bin ich noch ich?“, fragte sie und faste sich an ihre Stirn.
Grübelnd legte Loki eine Hand an sein Kinn und fügte hinzu: „Jetzt müssen wir nur noch besprechen zu welcher Uhrzeit und wie wir den Zauber lösen.“
Freya nahm ihre Hand von ihrer Stirn. „Ich dachte das wäre egal?“
Loki stöhnte genervt. „Nein, ist es nicht. Wenn wir getrennt voneinander sind und du dich plötzlich ‚in dich verwandelst‘ und ich mich jedoch nicht, dann erkennt jeder unsere Lüge. Das muss genau durchgeplant sein. Keiner von uns darf sich vorher verwandeln. Vor allem müssen wir genau wissen, was der andere davor getan hat. Das geht dann etwa so…“, erklärte er ihr und stellte sich vor sie. Dann zuckte er kurz zusammen, sah sich hektisch, fast panisch um und dann zu Freya. Mit überraschter Stimme fragte er sie: „Was ist passiert? Ich war gerade noch auf dem Kampfplatz, als Thor mir eine Überziehen wollte und jetzt stehe ich plötzlich hier.“ Er sah an sich herab. Mit erleichtertem Blick tastete er seinen Körper ab, so als könne er nicht glauben in seiner eigenen Haut zu stecken. „Endlich…“, hörte Freya ihn befreit murmeln.
Dann ließ er seine Hände sinken und sah Freya wieder ernst an. „So sollte das aussehen. Sonst glaubt dir das keiner.“
Freya unterdrückte den Impuls ihn mit offenem Mund anzustarren.
„Du bist wirklich der geborene Lügner. Ich glaube es gibt niemanden in allen neun Reichen, der so etwas glaubhaft darstellen kann. Ich dachte wirklich kurz, ich wäre wieder in meinem eigenen Körper“, seufzte sie auf. Loki hielt inne und sah sie kurz verwirrt an. Dann trat er auf sie zu, packte ihre Schultern und rüttelte sie. „Du BIST in deinem eigenen Körper. Freya reiß dich zusammen.“
Sie blinzelte. „Oh, ja. Entschuldige“, murmelte sie.
Er legte seinen Kopf schief und musterte ihr Gesicht. Sie hatte ihre Augen gesenkt. Diese Geschichte schien sie sehr zu verwirren. Wenn er nicht achtgab, würde das noch Probleme mit sich ziehen. Zum Glück hatte er nie daran gedacht einen solchen Zauber wirklich zu verwenden. Obwohl die Idee, in Thors Körper zu sein, schon verführerisch erschien. Vor allem, da er irgendwann der neue Allvater werden sollte. Loki schüttelte seinen Kopf um sich selbst zu ermahnen. Nicht jetzt!
Er nahm seine Hände von ihren Schultern.
„Vielleicht wäre es besser wenn wir uns nicht trennen. In zwei Stunden ab jetzt“, er sah auf seine Uhr, „tun wir so als wäre der Zauber gelöst und wir benehmen uns dann nicht mehr wie vertauscht. Verstanden?“ Die Augen wieder aufschlagend, nickte sie erleichtert.
„Obwohl diese Sache vorhin Spaß gemacht hat, glaube ich nicht, dass ich dich für allzu viel länger spielen könnte“, erklärte sie und Loki schmunzelte.
„Dabei hast du mich echt überzeugend rübergebracht. Ich war wirklich überrascht wie gut du mich eigentlich kennst“, gestand er ihr ein. Dankbar lächelte sie. „Du bist nicht der einzige, der viel Zeit mit mir verbracht hat. Ich habe auch viel Zeit mit dir zusammen verbracht.“
Loki trat auf sie zu und nahm ihr Kinn in seine Hand. „Wir könnten alle anderen wahrscheinlich noch Jahre hinters Licht führen“, meinte er und kam ihrem Gesicht immer näher. „Du bist eine überraschend gute Lügnerin“, sagte er leiser und hob ihr Gesicht zu dem seinen an. „Die perfekte Partnerin“, flüsterte er und versiegelte dann ihre Lippen zu einem Kuss.
***
Zuerst war der Kuss nur sachte, aber dann forderte seine Zunge Einlass und sobald Freya ihm den Zugang gewährte, wurde der Kuss verlangender. Die Leidenschaft packte auch sie und Freya verschränkte ihre Arme in seinem Nacken um sich fester an ihn zu pressen.
Als Freya die Bibliothekstüren hörte, reagierte sie instinktiv und viel schneller als Loki. Sie zog ihre Arme von seinem Nacken zurück und schubste ihn ins dunkle zwischen zwei Bücherregalen. Sie hörte sein überraschtes auf keuchen und einen dumpfen Rums, als er (unsanft) auf dem Boden landete. Sie drehte sich zu dem Besucher um, der seine Schritte in ihre Richtung lehnte.
Genervt stellte Freya fest, dass es Urd war, als diese um ein Regal bog und in Sichtweite kam. Kaum hatte auch Urd Freya gesehen, lenkte sie ihren Schritt in ihre Richtung.
Mit einem tiefen Ein- und Ausatmen ermahnte sich Freya dazu, so zu sein wie Loki. Jetzt war sie nicht Freya sondern Loki.
Gleichzeitig fragte sie sich, was Urd von Loki wollte.
„Man hat mir versichert, dass Ihr hier sein würdet. Vor allem nach Eurem letzten Streich“, begann Urd und schlenderte auf Freya zu, bis sie etwa drei Meter voneinander entfernt waren. Dann blieb sie stehen.
Freya sagte nichts sondern wartete mit ungerührter Mine ab.
„Ich habe schon seit meiner Ankunft versucht Euch alleine zu sprechen und jetzt ist es mir endlich möglich“, begann Urd und lächelte. „Wisst Ihr warum wir Krieg mit den Wannen führen?“, fragte Urd plötzlich.
Freya zuckte mit den Schultern. „Das werdet Ihr mir sicher gleich sagen, Prinzessin.“
Urd lächelte noch etwas breiter und strich mit dem Zeigefinger an den Büchern entlang, ohne die Buchrücken anzusehen. „Ich war mit Prinz Odur verlobt“, erklärte sie und hielt inne. „Ihr kennt Prinz Odur sicher noch?“
Freya runzelte die Stirn. „Ja…“, wollte sie beginnen, als Urd ihr das Wort abschnitt. „Natürlich kennt Ihr ihn noch. Ihr wart es auch, der ihn mit dieser Geschlechtskrankheit verhext hat!“ Urd wurde langsam lauter und Freya spürte, dass es eine Geschichte zu erzählen gab und die Urd rasend machen würde. Trotzdem sagte sie nichts weiter und tat ungerührt.
„Eine Krankheit, die ich jetzt ebenfalls habe, weil dieser Bastard von einem Prinz das Bett noch vor der Ehe mit mir geteilt hat. DARUM führen wir Krieg mit diesen Hinterhältigen Idioten in Wanenheim“, sagte Urd wütend und sagte dann: „Aber eigentlich sollten wir nicht Krieg mit denen führen, sondern mit demjenigen dem das alles von Anfang an zu verdanken ist. Mit Euch, verehrter Prinz.“ Sie zog das letzte Wort in die Länge und machte sich damit lustig über Loki.
„Wie habt ihr erfahren, dass ich Odur verhext habe?“, fragte Freya, weil sie vor allem wissen wollten warum Loki so etwas getan hatte.
Urd lachte verächtlich auf. „Nun, wir hatten die Wannen empfindlich getroffen, da hat Odur mir einen Boten geschickt. Er versicherte mir, dass er alles versucht hatte, aber die Krankheit einfach nicht heilbar sei. Und dass er sie von Euch, Loki aus Asgard, hätte. Er erklärte mir, dass er sich mit mir verbünden würde, sollte ich mich dazu entschließen Asgard anzugreifen. Dass er mich liebt und er hofft, mit meiner Hilfe diese Krankheit heilen zu können“, erklärte Urd und sah Freya mit einem vernichtenden Blick an.
„Sagt mir nur eins, warum?“, fragte sie Freya. „Warum habt Ihr Prinz Odur verhext?“
Freya schluckte, versuchte aber ihre Unwissenheit zu kaschieren, indem sie sagte: „Ich denke, das wisst Ihr selbst ganz genau. Odur hat es Euch sicherlich gesagt.“
Urd lächelte hinterhältig. „Natürlich weiß ich es. Warum glaubt Ihr sonst, habe ich es auf die kleine Prinzessin abgesehen gehabt? Gut gezaubert übrigens“, meinte sie. Freya sah sie unwissend an. „Gestern auf dem Fest habt ihr wirklich Euer Bestes gegeben um Eure kleine Prinzessin zu beschützen. Spätestens da wusste ich, dass Odur die Wahrheit gesagt hatte“, sagte Urd herablassend.
Sie verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und sah Freya herausfordernd an. „Aber jetzt steckt Ihr in einem falschen Körper und wenn ich mich recht erinnere, kann eine zauberkundige Seele in einem anderen Körper nicht zaubern“, meinte sie. Blitzartig schloss sie ihre Augen und öffnete sie wieder. Diesmal waren ihre Augen orangerot und Flammen stürmten auf Freya ein.
Freya konnte nichts mehr tun als ihre Arme hochzureißen und sich zu schützen. Doch die Flammen machten einen Bogen um sie, so als würde sie in einer Glaskugel oder einer Blase stecken. Es war nicht einmal warm. Überrascht senkte sie ihre Arme und sah durch die Flammen hindurch das wutverzerrte Gesicht von Prinzessin Urd.
„Nein!“, kreischte sie und die Flammen erstarben langsam. Dann versuchte sie etwas anderes. Zuerst beschwor sie einen Blizzard herauf, dann Wurfmesser und noch viele weitere Zauber, aber nichts davon drang bis zu Freya hindurch.
Schließlich war sie außer Atem. Sie keuchte und brachte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Ihr seid wirklich ein Meistermagier.“
Freya wollte etwas sagen, als Urd sich jedoch aufrichtete und sagte: „Aber Eure geliebte kleine Prinzessin ist jetzt völlig wehrlos.“ Sie lächelte erschöpft, aber böse. Da bemerkte sie eine Bewegung in den Schatten der Regale und schneller als die beiden Frauen realisieren konnten, war Loki vor Freya aufgetaucht und sagte an Urd gewandt: „Ist sie nicht. Ich habe dafür gesorgt, dass sie vor Euren zaubern sicher ist.“
Urd blinzelte verwirrt.
„Wir sind wieder in unseren eigenen Körpern“, erklärte Loki leichthin. Dann fügte er noch dazu: „Diese Sache geht nur uns beide etwas an, lasst Freya da raus.“
Urd lachte hämisch. „Sie ist doch der eigentliche Grund warum ich jetzt diese Krankheit mit mir rumschleppe! Nur weil Ihr in Odur einen Rivalen gesehen habt.“
Loki schüttelte den Kopf. „Nein. Odur bekam den Zauber deswegen, weil er sie beleidigt hatte und sie nur wie alle anderen Frauen in seinem Leben – so wie Ihr zum Beispiel – ins Bett kriegen wollte. Er sollte dadurch lernen mit den Gefühlen von Frauen nicht zu spielen. Etwas das er anscheinend noch immer nicht gelernt hat, denn er konnte Euch nicht nur die Krankheit anhängen, sondern auch noch belügen“, erklärte er Urd und deutete mit einem Daumen über seine Schulter zu Freya. „Sie hatte mit dieser ganzen Sache nichts zu tun, außer dass Odur versucht hatte sie zu heiraten und gleichzeitig mit ihrer Kammerzofe was anfing.“
Freya schnappte entsetzt nach Luft, aber Loki wedelte energisch mit der Hand und bedeutete ihr, den Mund zu halten.
Urd runzelte nachdenklich die Stirn.
„Was glaubt Ihr, warum Odur Euch diese Geschichte jetzt erst erzählt hat? Kurz bevor Ihr Wanenheim besiegt hattet? Er wollte, dass Ihr nach Asgard geht, damit er sich wieder sammeln und angreifen kann. Vielleicht hätte er sogar Glück gehabt und Ihr würdet Euch für ein Bündnis mit ihm entscheiden, um Asgard anzugreifen. Vielleicht würdet Ihr sogar eine Heilung für die Krankheit finden?“, Loki gab all diese Dinge zu bedenken und in Urd kamen Zweifel an der Aufrichtigkeit von Odur auf.
„Also hat er mich mit Absicht angesteckt? Damit ich ihm helfe sich an Euch zu rächen und eine Heilung für ihn zu finden?“, murmelte Urd. Sie wandte sich etwas von Loki und Freya ab und überlegte laut: „Aber dafür einen Krieg mit Nornheim riskieren? Wer tut so etwas seinen Leuten an?“
Freya, die dicht hinter Loki stand, legte ihre Hände auf seine Schulter und drückte sachte zu. Damit wollte sie ihm bedeuten, dass sie die Daumen drückte und hoffte, dass Urd einsah, dass sie auf dem Holzweg gewesen war. Loki nickte unmerklich. Er schien verstanden zu haben.
Er trat einen Schritt vor und erklärte ehrlich: „Ich glaube, Euch wurde ebenso übel mitgespielt wie Freya vor ein paar Jahren und wieder von diesem Prinzen. Wenn ich Euch einen Vorschlag machen darf?“ Loki hatte seine linke Hand auf seine Brust gelegt, sich leicht vorneüber gebeugt und seine rechte zu Urd dargeboten. Sie verstand die Geste und nickte ihm zu. „Sprecht.“
„Lasst uns gemeinsam zum Allvater gehen und das alles erklären. Zusammen mit ihm, können wir etwas gegen Prinz Odur und seine rücksichtslose Regentschaft unternehmen. Danach werde ich Euch von dieser Krankheit befreien“, bot er ihr an.
Urd sah erfreut auf.
„Ihr könnt diese Krankheit wieder heilen?“, fragte sie überrascht. Loki grinste überheblich. „Natürlich kann ich das“, erklärte er, „ich habe sie auch heraufbeschworen.“
Urd nickte. „Gut, ich gehe auf Euren Vorschlag ein. Ich kann es kaum erwarten Odur wiederzusehen und dann kann er sich auf etwas gefasst machen“, sagte sie und grinste diabolisch. Loki konnte ein fieses grinsen ebenfalls nicht unterdrücken.
„So sei es. Lasst uns zum Allvater gehen“, meinte er und bot Urd seinen Arm an als er auf sie zuging. Aber Urd nahm ihre Hand abwehrend hoch. Überrascht sah er sie an, doch Urd lächelte. „Das hat noch etwas Zeit, findet Ihr nicht auch? In einer Stunde erwarte ich Euch beim Allvater, bis dahin habt ihr noch etwas Zeit für euch“, sagte Urd und lächelte wissend.
Loki ließ seinen Arm sinken und wollte etwas sagen, als Urd sich abwandte und über ihre Schulter feststellte: „Ich muss euch beide bei irgendetwas gestört haben, warum sonst sollte Loki sich im Dunkeln verstecken und Freya darüber nicht überrascht sein?“ Sie blieb stehen, drehte sich zu ihnen um und sagte mit einem Zwinkern und ihrem Zeigefinger an ihren Lippen: „Ich werde dieses Geheimnis für mich behalten. Eine kleine Zugabe dafür, dass Ihr meine Heilung nicht vergesst.“
Urd ging davon und Loki murmelte kaum hörbar: „Mist.“
Freya kam an seine Seite und sah Urd verwirrt hinterher. Doch sie sagte nichts. Stattdessen sagte Loki an sie gewandt: „Darum sollten wir vorsichtiger sein! Odur wusste von meinen Gefühlen sogar noch vor dir und Urd hat es innerhalb von wenigen Sekunden herausgefunden. Odur und Urd kennen uns aber noch nicht einmal halb so lange wie unsere Familie!“
Freya seufzte.
„Ich frage mich, ob ich dich wirklich kenne“, begann sie und Loki drehte seinen Kopf ruckartig zu ihr. „Na diese ganze Geschichte hier“, sie deutete in die Richtung in die Urd gegangen war. „Ich habe gar nicht wirklich verstanden um was es gerade ging. Du wusstest jede Menge Zeug über Odur, von dem ich keine Ahnung hatte und Urd sprach von uns beiden aber vor fast zehn Jahren!“ Freya stockte und sah Loki in die Augen. „Vor zehn Jahren gab es kein ‚uns beide‘“, sie unterstrich die letzten beiden Wörter, indem sie mit dem Zeigefinger zwischen sich und Loki hin und her wedelte.
Loki drehte sich vollends zu ihr und wollte sich erklären, aber Freya wollte erst ihre Gedanken loswerden.
„Es gibt da anscheinend noch unendlich viele Dinge, die du verheimlichst oder von denen ich einfach nichts weiß“, meinte sie und wollte Luft holen um weiterzusprechen. Aber er trat einen hastigen Schritt auf sie zu, fasste ihr Gesicht in beide Hände und platzierte einen langanhaltenden, innigen Kuss auf ihren Lippen.
Erst als sie beide Luft holen mussten, unterbrach er ihn und zog sich von ihr zurück.
Freya hatte überrascht ihre Augen geschlossen gehabt und öffnete sie langsam wieder. Bevor sie auch nur daran denken konnte etwas zu sagen, meinte Loki: „Merk dir den Gedanken“, und schon ging er davon.
***
Den Rest des Tages war Freya Loki nicht wieder über den Weg gelaufen.
Sie vermutete, dass er zusammen mit Urd, mit dem Allvater über die Sache mit Prinz Odur gesprochen hatte und sie vermutete ebenso, dass sich der Allvater eine harte Strafe für den (eigentlich nicht stattgefundenen) Streich erdacht hatte. Da Loki mit seinen 27 Jahren bereits zu alt war um ihn mit Hausarrest, Zauberverbot oder sonstigen Kindereien zu bestrafen, musste es diesmal etwas Härteres gewesen sein. Andererseits war ja eigentlich gar nichts Schlimmes passiert.
Freya stockte mitten im Laufen.
Es war eigentlich gar nichts passiert, weil Loki den Seelentausch-Zauber gar nicht verwendet hatte.
Freya seufzte und setzte ihren abendlichen Spaziergang durch den Palastgarten fort.
Wenn sie nicht aufpasste, würde sie sich in den Lügen verlieren. Egal was sie für ihren Cousin empfand, er durfte seine Lügengeschichten nicht mehr auf sie ausweiten oder sie einbeziehen. Sie fühlte sich nicht wohl dabei. Sie verlor den Überblick und wusste nicht mehr was sie glauben sollte. Was sie sich selbst glauben konnte.
Urd hatte sie auch nicht mehr gesehen und obwohl Freya das Gefühl beschlich, dass zwischen ihnen alles wieder in Ordnung war, war sie froh nicht zu wissen ob es so war oder nicht. Lieber sah sie die Nornen Prinzessin nicht mehr, als das diese wieder versuchte ihr zu schaden.
Inzwischen hatte sie den goldblättrigen Baum in der Mitte der Rosengärten erreicht. Sie ließ sich an seinen Wurzeln nieder, lehnte ihren Rücken an seinen Stamm und sah der Sonne dabei zu, wie sie am Wasserrand unterging und den Sternen Yggdrasils den Weg frei machte. Dieser Moment erfüllte Freya jedes Mal mit einem Kribbeln als würde sie plötzlich fallen, nur ohne den Nachgeschmack des Aufpralls.
„Die Aussicht ist atemberaubend schön von hier“, kam eine Stimme zur linken von Freya. Sie lehnte sich vor, um am Baumstamm vorbeizusehen und erkannte Urd. Mit einem Stirnrunzeln überlegte sich Freya krampfhaft was sie hier zu suchen hatte und was sie ihr antworten sollte. Aber Urd lächelte und kam zu ihr, um sich neben ihr niederzulassen.
Schweigend sah Freya ihr dabei zu und sie musterte Urd auch während diese verträumt in den Abendhimmel aufsah. Schließlich sagte Urd: „Ich kann wirklich verstehen warum Ihr nicht mit mir sprechen wollt und ich nehme es Euch darum nicht übel.“
Sie sah Freya in die Augen und der Ausdruck den Freya darin sah, ließ sie wieder die Stirn runzeln.
„Ich möchte mich bei Euch entschuldigen“, meinte Urd und schlug die Augen nieder. „Ich war ein richtiges Scheusal, seit ich in Asgard angekommen bin.“
Freya verschlug es die Sprache.
„Wahrscheinlich hätte das alles auch anders laufen können und ich möchte mich nicht damit rausreden, aber Ihr solltet froh sein, diese Krankheit nicht zu haben. Sie vernebelt einem den gesunden Menschenverstand. Ständig juckt es und wenn man sich kratzt, schmerzt es wie tausend Messerstiche. Man kann nur daran denken wie man sich kratzen kann, ohne Höllenqualen zu erleiden“, erzählte Urd und sah verlegen auf den Boden. „Es tut mir wirklich leid“, flüsterte sie nochmal und stand dann auf, um zu gehen.
Freya packte Urds Handgelenk.
„Bitte, nenn mich Freya“, bat sie die Prinzessin und deutete auf den Platz, auf dem Urd gerade noch gesessen hatte. „Und bitte nehmt wieder neben mir Platz.“
Urd sah erstaunt auf, nickte aber mit einem dankbaren lächeln und ließ sich wieder nieder. „Nenn mich dafür Urd“, bot sie Freya an.
Freya nickte und beugte sich zu ihr rüber, um hinter vorgehaltener Hand zu flüstern: „Das hier ist mein Lieblingsort in den Rosengärten. Ich bin hier so oft ich kann, um der Sonne eine gute Nacht zu wünschen.“
Urd lächelte und flüsterte fragend zurück: „Und warum flüsterst du?“
Freya sah verwirrt auf und lachte aber dann. „Keine Ahnung. Früher war es ein Geheimnis, aber ich fürchte inzwischen weiß ganz Asgard wohin ich mich zurückziehe wenn ich alleine sein will“, meinte Freya scherzend. Urd lachte ebenso. „Das kenn ich“, meinte sie und erklärte: „Das ist das Los einer Prinzessin, sie ist niemals unbeobachtet.“
Freya blieb das Lächeln fast im Hals stecken.
Soviel zu Lokis ‚Wir müssen vorsichtiger sein‘.
Sie schüttelte den Kopf um den Gedanken zu verscheuchen und fragte Urd: „Also nehme ich an, dass Loki dich geheilt hat?“
Urd nickte und sah in den Himmel.
„Wir waren zuerst beim Allvater und haben ihm erklärt, dass Prinz Odur nicht ehrlich gewesen war und wir deshalb Krieg geführt hatten. Aber auch, dass er versucht hatte meinen Hass auf Asgard zu lenken. Dabei haben wir aber diese Geschichte mit Loki und der Krankheit weggelassen. Schließlich willigte der Allvater ein, selbst ein Wörtchen mit dem König von Wanenheim zu wechseln. Danach hat mich Loki wie versprochen geheilt“, berichtete sie und sah Freya mit einem Stirnrunzeln an.
„Da fällt mir ein, ist sein Zimmer immer so unordentlich?“, fragte sie neugierig. Freya wollte schon entrüstet sagen, dass sie so etwas nicht wisse, als ihr wieder einfiel, dass Urd viel mehr wusste als andere. Mit einer wegwerfenden Handbewegung meinte Freya seufzend: „Er verbietet jedem Palastdiener sein Zimmer zu betreten. Die einzigen die sich manchmal reintrauen sind Thor und ich. Tante Frigga hat es früher getan, bis sie aber von einer Herde Kröten angegriffen wurde. Seitdem macht auch sie einen Bogen um sein Zimmer.“ Freya lachte bei der Erinnerung an die Krötenplage im Palast.
Urd musste ebenso kichern bei dem Gedanken daran.
Freya genoss es, mit einem anderen Mädchen zu reden, die nicht unter ihr stand und nur lachte um ihre Gunst zu erringen.
„Weißt du, du bist eigentlich gar nicht so arrogant wie ich mir immer gedacht habe“, gestand Urd plötzlich ein. Freya war überrascht. Mit einem bekräftigenden Nicken meinte Urd: „Also ich meine, deine Schönheit wird natürlich auch in Nornheim gerühmt und deine Ernennung zur Göttin der Liebe hat kaum jemanden überrascht. Es werden sich jede Menge Geschichten über dich erzählt. Die eine Fantastischer als die andere und ich dachte mir ‚dieses Mädchen kann gar nicht so sein. Sie muss überheblich, arrogant und eingebildet sein‘.“ Urd sah Freya prüfend an und atmete erleichtert auf, als diese sie nicht verurteilte. Mit erhobenen Armen sagte sie: „Natürlich habe ich gelernt, dass man seinen Vorurteilen nicht glauben darf. Aber wie gesagt, ich konnte nur noch an die Krankheit denken und da warst du für mich die Ausgeburt der Hölle. Der Grund für mein Leiden.“
Freya schlug die Augen nieder.
„Ich hätte auch so reagiert wie du. Oder noch schlimmer. Ich hätte dir vermutlich vor dem Allvater eine reingehauen“, meinte Freya und lachte. Urd richtete sich gerade auf. „Apropos“, meinte sie, „Ich bewundere übrigens deinen Kampfesmut.“
Freya war erfreut. „Wirklich?“
Urd nickte. „Ich hätte es niemals geglaubt, aber als du diese Holzpuppe zerlegt hast, schlotterten mit die Knie vor Angst.“ Sie sah Freya fragend an: „Würdest du mir ein paar Tricks beibringen?“ Freya lachte auf. „Mit Tricks musst du dich an den Gott des Unheils wenden. Bei mir lernst du nur einen passablen rechten Haken“, erklärte sie.
Urd lachte. „Stimmt, das habe ich vergessen.“
Die beiden Prinzessinnen sahen sich schmunzelnd an.
„Es tut gut mal wieder zu lachen“, erklärte Urd und Freya nickte zustimmend. Da reichte Urd ihr die Hand. „Wenn du mich mal brauchen solltest, egal wegen was, um Krieg zu führen, um zu reden, als Beistand oder auf irgendeine andere Art und Weise, ich gelobe, ich werde immer für dich da sein“, versprach die Nornen Prinzessin. In Freya ging das Herz auf vor Freude. Sie packte die Hand von Urd und schüttelte sie. „Dasselbe verspreche ich dir auch. Du weißt, wo du mich findest und solange ich hier bin, stehen die Türen von Asgard immer für dich offen.“
Urd nickte dankbar und stand auf.
„Jetzt werde ich mich zurückziehen. Ich hoffe, dass wir uns morgen noch sehen werden, bevor ich meine Heimreise antrete?“, fragte Urd hoffnungsvoll. Freya stand ebenfalls auf. „Klar, ich werde da sein.“
***
Wenige Stunden später hatte sich die Prinzessin von Asgard ebenfalls zurückgezogen. Sie hatte sich gerade Bettfertig gemacht und die Bettdecke beiseite geschlagen, als ihre Zimmertüre ohne Vorwarnung geöffnet wurde. Unwillig sah Freya auf und wollte denjenigen anfahren, als sie Loki gewahr wurde. Freya schloss ihren Mund wieder und schüttelte ungläubig den Kopf während sie in ihr Bett glitt.
„Was willst du?“, fragte sie erschöpft und strich ihre Bettdecke glatt.
Loki hatte eine schwere Truhe in seinen Händen und schloss ihre Zimmertüre mit seinem Fuß. Er trug bereits einen dunkelgrünen, fast schwarzen Leinenschlafanzug, der am Saum von Ärmeln und Füßen mit goldenen Stickereien verziert war. Die schwarze Holztruhe hatte Freya schon einmal gesehen. Sie stand sonst immer hinter Lokis Schreibtisch in seinem Zimmer.
„Du wolltest etwas von mir, schon vergessen?“, fragte er und versuchte seine Atemlose Stimme zu verbergen. Die Truhe schien schwer zu sein.
„Hä?“, fragte Freya verwirrt und überlegte.
Während sie mit fragendem Blick in die leere Starrte, wuchtete Loki die Truhe auf ihr Bett. Obwohl sie weich landete, holte das Geräusch Freya aus ihren Überlegungen. „Hey, was…“, begann Freya wütend, als Loki ebenfalls auf dem Bett kniete und ihre Lippen mit den seinen verschloss.
Als er sich von ihr löste, stellte er mit einem Grinsen fest, dass sie ihre Augen wieder geschlossen hatte. Freya lächelte verträumt, bis ihr bewusst wurde, dass sie sich nicht mehr küssten und Loki sie gerade beobachtete. Sie öffnete ihre Augen und ihr lächeln verschwand. Sie hatte Recht.
Sofort verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und sah ihn unwillig an. „Was ist los? Was soll dieses Ding hier?“, fragte sie und nickte zu dem Kasten.
Loki sah sie ernst an und rutschte zu der Truhe.
„Du willst mich kennen lernen und all die Dinge erfahren, die ich verheimliche“, erklärte er ihr und deutete auf die Truhe. „Dazu musst du den Inhalt dieser Truhe sehen. Jeder Gegenstand darin erzählt eine Geschichte, von der niemand etwas weiß.“
Freya horchte auf.
„Und du teilst diese Geschichten mit mir? Deine Geheimnisse?“, fragte sie erfreut und misstrauisch. „Warum tust du das? Was willst du dafür?“
„Warum soll ich immer gleich etwas von dir verlangen?“, fragte Loki mit einem sachten schmunzeln um seine Mundwinkel herum.
„Weil das schon immer so war“, meinte Freya schlicht. Sie ließ ihre verschränkten Arme sinken und nahm die Bettdecke. „Tut mir leid, ich verzichte.“ Damit legte sie sich nieder und zog die Bettdecke bis zu ihrem Kinn.
Loki entgleisten die Gesichtszüge.
Für ein paar Minuten blieb er einfach wie versteinert da sitzen, wo er war und sah auf die Silhouette von Freya. Er wusste zum ersten Mal nicht, was er jetzt tun sollte.
Er hatte vorgehabt seine Geheimnisse mit ihr zu Teilen. Ihr sein Innerstes zu zeigen. Dass sie ihn so einfach abwies hätte er nie vermutet. Vor allem da er wirklich nichts von ihr verlangte, außer seine Geheimnisse zu hüten.
Er beugte sich vorne über und kletterte auf dem Bett zu ihr, bis er über ihr war. Vorsichtig lehnte er sich zu ihrem Ohr runter und flüsterte sachte: „Ich bitte dich nur darum mir zuzuhören und das gehörte niemals jemandem weiterzuerzählen.“ Er nahm etwas Abstand von ihr, um an ihrem Profil eine Reaktion zu beobachten.
Ihre Augen waren geschlossen und ihre ebenmäßigen Gesichtszüge waren absolut entspannt. So als wäre sie bereits eingeschlafen. Aber da begann sie langsam zu schmunzeln. Ohne die Augen zu öffnen, sagte sie: „Also gibt es doch einen Preis?“
Loki schmunzelte. „Einen Preis der sich lohnt zu bezahlen, vertrau mir.“
Freya öffnete ihre Augen wieder und richtete sich auf, wodurch Loki sich von seiner Position ebenfalls aufrichten musste.
„Na gut, ich werde schweigen wie ein Grab und deine Geheimnisse niemals jemandem anvertrauen“, beteuerte sie feierlich und klatschte dann in ihre Hände. Während sie ihre Handflächen aneinander rieb, meinte sie mit einem erfreuten grinsen: „Lass mal hören.“
Loki grinste breit und zog aus seinem Ärmel einen kleinen goldenen Schlüssel, mit dem er gedachte die Truhe und ihre verborgene Kammer zu öffnen. „Mach dich auf etwas gefasst“, warnte er sie mit einem feierlichen Gesicht und genoss den Schwarm von Hummeln in seinen Eingeweiden.
***
Es dämmerte bereits in Asgard aber trotzdem waren so gut wie alle Asen noch in ihrem Bett und schliefen tief und fest. Alle bis auf Freya und Loki.
Die ganze Nacht hatte Loki von seinen Geheimnissen berichtet und seine Schätze vor ihr ausgebreitet. Freya war aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen und wollte ihm die eine und andere Geschichte nicht glauben. Trotzdem hatte sie aufmerksam und andächtig gelauscht, bis Loki bei seinem letzten Geheimnis angekommen war.
Die letzte Sache die er ihr anvertraute war, dass er sie liebte.
Ein Geheimnis das er sogar lange vor sich selbst versteckt hatte und das er nicht nur sich selbst sondern auch ihr eingestehen wollte.
Daraufhin war ihm Freya mit Tränen in den Augen um den Hals gefallen.
Das eine führte zum anderen und sie verbrachten eine weitere Nacht zusammen im Bett. Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, waren sie jedoch nicht eingeschlafen sondern hatten miteinander geredet.
Zum ersten Mal solange Freya denken konnte, war Loki nicht geheimniskrämerisch oder herablassend zu ihr. Sie hatten über seine Geheimnisse gesprochen, über ihre Gefühle füreinander und schließlich kehrte ruhe ein.
Loki lag auf dem Rücken und hatte seinen rechten Arm hinter seinen Kopf verschränkt. aus. Auf seinem Oberkörper lag Freya, die ihr Kinn auf ihren gekreuzten Armen ruhen hatte und so in Lokis Gesicht sehen konnte. Mit seiner linken Hand kraulte Loki gedankenverloren durch ihre Haare und spielte mit ihren Locken.
„Warst du vor mir schon mit einem Mädchen zusammen?“, fragte Freya plötzlich und sie spürte wie Lokis Hand aufhörte durch ihre Haare zu streichen. Mit einem Schmunzeln sah er sie an. „Was denkst du?“, fragte er zurück.
Freya legte den Kopf etwas schief und kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. Schließlich sagte sie seufzend: „Ja, ich denke das warst du.“
„Und wie kommst du darauf?“, fragte Loki interessiert weiter.
Freya richtete sich auf und stützte sich mit ihrer rechten Hand vom Bett ab, um von oben in sein Gesicht sehen zu können. Damit war seine Hand nicht mehr in der Lage ihre Haare zu erreichen und sie rutschte zu ihrem Rücken herab. Ihre wallenden Haare fielen ihr nun über ihre Schultern nach vorne. Sachte begann Loki an ihrem Rücken auf und ab zu streichen.
„Du bist viel zu erfahren, dafür dass ich die erste gewesen sein soll“, erklärte Freya und beobachtete sein Gesicht genau. „Andererseits“, fügte sie grüblerisch hinzu, „wäre das eine Sache von der du eine Trophäe behalten würdest und dann hättest du mir davon erzählt.“ Loki schmunzelte einfach weiter und forderte sie auf: „Nur zu, weiter.“
Freya sah ihn nur kurz unwillig an, aber dann sah sie über ihn hinweg aus dem Fenster. „Aber all deine Geheimnisse betrafen nur dich. Wenn du mit einem anderen Mädchen bereits das Bett geteilt hättest, wäre das ein Geheimnis von dem zumindest das Mädchen ebenfalls wüsste und dann wäre es kein Geheimnis nach deinem Geschmack“, überlegte sie weiter. Schließlich seufzte Freya genervt auf und richtete ihren Blick wieder auf Loki. Nur um festzustellen, dass Loki sie versonnen betrachtet hatte.
„Was?“, fragte Freya abwehrend und Loki grinste. „Du siehst bezaubernd aus wenn du nackt über mir lehnst und deinen Grips anstrengst“, stichelte er. Ihr Mund fiel auf, aber sofort fing sie sich wieder. Das war nichts Neues von ihm.
„Ach ja?“, fragte sie scharf. „Das war das letzte Mal wenn du mir nicht sagst was ich wissen will“, drohte sie ihm.
Die Drohung prallte an Loki ab als wäre es eine warme Sommerbrise. „Du solltest dir etwas neues einfallen lassen“, riet er ihr mit einem breit grinsenden Gesicht.
Ohne Vorwarnung packte Freya mit ihren zarten Fingern und langen Fingernägeln seine Brustwarze und verdrehte sie. Lokis grinsen verschwand augenblicklich und mit schmerzverzerrtem Gesicht wand er sich unter ihr. Genüsslich sagte Freya überlegen: „Wie war das?“
„Ja! Ja! JA VERDAMMT!“, wurde Loki immer lauter und Freya fragte: „Ja was?“
„Ja ich war mit anderen Mädchen zusammen!“, rief Loki und Freya ließ ihn in Ruhe. Mit einem schmerzlichen zischen ließ Loki langsam die Luft aus seinen Lungen und rieb sich seine rot gewordene Brustwarze.
„Mit anderen Mädchen?“, fragte Freya leise und sah dabei in die ferne an einen Ort, den nur sie sehen konnte.
Loki hatte sich wieder etwas entspannt und sah auf in ihr Gesicht.
„Mehrzahl?“, wiederholte Freya leise.
Er wünschte er hätte sie angelogen.
Doch nun war es zu spät dafür. Er hatte sich vorgenommen ihr die Wahrheit zu sagen. Für jetzt und für immer.
„Es waren zwölf verschiedene Mädchen mit denen ich geschlafen habe“, begann er und Freya sah geschockt und auch ein wenig angeekelt auf ihn herab. „Aber“, er hob einen Zeigefinger und fügte hinzu: „Sie wussten alle nicht mit wem sie die Nacht verbracht haben. Ich habe mich jedes Mal in jemand anderen verwandelt.“ Dieser Satz änderte nichts an ihrem entsetzten Gesichtsausdruck. Daher erklärte er ihr: „Ich habe versucht dich zu vergessen und meine Gefühle auf andere Mädchen zu übertragen. Aber als ich 22 Jahre alt wurde, habe ich eingesehen, dass es nichts bringt. Die Mädchen haben mir nie etwas bedeutet, ich wollte immer nur der deine sein.“
Freyas Gesicht entspannte sich ein wenig, obwohl sie noch immer versuchte das Gehörte zu verdauen.
„Ich wünschte ich könnte es ungeschehen machen, aber das kann ich nicht“, meinte Loki mit ehrlichem bedauern.
Ihre Gesichtszüge wurden weich. „Nun, dafür bist du mein erster und solange du mir versprichst, dass ich deine letzte bin, verzeihe ich dir das“, meinte Freya. Loki war erleichtert. „Ich gehöre dir. Für immer“, versprach er und Freya beugte sich zu ihm runter um ihn inniglich zu küssen. Während der Kuss immer leidenschaftlicher wurde, krallte sich Loki in ihre Haare und drehte sie auf den Rücken. Den Kuss unterbrechend gewann er etwas Distanz zu ihrem Gesicht.
Liebevoll betrachtete er seine kleine Prinzessin und flüsterte: „Ich werde dich nie verlassen.“
*** Epilog ***
Ein Jahr später stand Freya am zerschmetterten Ende der Regenbogenbrücke. Genau an der Stelle wo der Bifröst gestanden hatte, gähnte der grenzenlose Abgrund des Ginnungagap.
In ihrem inneren tobten Grauen, Schmerz und das Gefühl das man verspürte wenn der giftige Dolch des Verrats in das Herz gerammt wurde. Diese Gefühle wurden so stark, dass sie mit der Ohnmacht kämpfte. Sie verschränkte Haltsuchend ihre Arme vor der Brust und berührte das Armkettchen das Loki ihr geschenkt hatte. Die Gefühle wurden von einer heilenden Leere beiseitegeschoben. Ihr Herz…
Nein.
Loki war ihr aus der Brust gerissen worden und befand sich nun im Abgrund vor ihr.
Loki, und damit auch ihr Herz, war verloren und zurück blieb nur Freya… Eine Hülle ohne Gefühle. Mit Tränen in den Augen sah sie hinaus und flüsterte:
„Lügner.“
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