Zissy M. Baumann: Willkommen in meinen Gedanken
Zissy M. Baumann

Thor (Teil 2) - Mökkurkalfi

 Mökkurkalfi

von Zissy M. Baumann


Wo immer Freya gerade mit dem Kopf durch die Wand wollte, suchte und fand Loki nicht weit daneben eine Tür, die sich bequem öffnen ließ, wenn man nur den richtigen Dreh fand.

 

***Prolog***

 

Freyas Leben bestand aus den unterschiedlichsten Beschäftigungen, von denen einige jedoch von anderen Asen als „langweilig“ bezeichnet wurden. Zu aller erst gab es für Freya den Übungskampf, das Jagen und das reiten. Diese waren für alle Asen (wenn auch weniger für die weiblichen) ein Muss. Aber da sie eine Prinzessin Asgards war, gehörten auch die Feste und Feierlichkeiten, der Tanz und die Gelage sowie der Umgang mit Botschaftern aus den anderen acht Welten dazu. Auch das Feiern gehörte zu den größten Tugenden der Asen.

Nicht jedoch das lesen und studieren der alten, verstaubten Runenbücher und Schriftrollen der Bibliothek. Zwar konnten alle Asen lesen, jedoch galt es in Asgard als ungeliebte Eigenart. Das lesen beinhaltete, dass man sich von anderen zurückzog, aber auch dass man sich mit dem gelesenen auseinandersetzen, dass man seinen Kopf gebrauchen musste. Obwohl viele Asen gescheit waren, galt die körperliche Kraft als höchstes Ziel. Ein belesener und gescheiter Ase war niemals gleichstark wie ein kampferprobter Schwertase. Für einen weiblichen Asen galt dies noch mehr.

Natürlich gestand man den Frauen in Asgard mehr Grips zu als den Männern, da sie eigentlich nicht kämpften, trotzdem war eine belesene Frau ein Sonderfall. Ähnlich wie vor einer ansteckenden Krankheit hielt man sich vor diesen Frauen fern und nicht wenige davon waren alte Jungfern. Unumworben, Kinderlos aber intelligent waren Stigmata vor denen sich jede Frau in Asgard fürchtete.

Freya ebenso. Trotzdem konnte sie sich der geheimnisvollen Macht der Bibliothek nicht entziehen.  Es gab so viele Geschichten von glitzernden Helden, bestialischen Ungeheuern und flammender Liebschaften, dass sie in Kauf nahm alleine am großen Fenster der Bibliothek zu sitzen und zu schmökern.

Als sich herausstellte dass Freya ein Bücherwurm war, war sie gerade einmal acht Jahre alt gewesen. Zuerst hatte sich ganz Asgard sorgen um die kleine, hübsche Prinzessin gemacht, aber als sie schließlich mit zehn beschloss eine Kriegerin zu werden und dabei sogar sehr geschickt zu Werke ging, legten sich alle Bedenken und Sorgen der Asen. Freya selbst erklärte, dass sie viele Kampftechniken aus Büchern erlesen habe und solange sie die Bücher für das Studium des Kampfes verwandte, wurde diese Absonderlichkeit akzeptiert.

Im Laufe der Zeit vergasen die Asen dass Freya las und erfreuten sich daran dass Freya eine schöne und kluge Kriegerin war. Was niemand ahnte war die andere Seite die Freya entwickelte. Nämlich dass die Bücher und Schriftrollen mehr als nur Kampftechniken bargen. Es gab andere Welten, Wesen, Wissenschaften und Romantik.

Obschon sich Freya alle Mühe gab ihr Ziel - eine Kriegerin werden - zu erreichen, entwickelte sie insgeheim die Sehnsucht nach Abenteuern und Liebschaften. Kurz sie schwärmte und träumte in den Tag hinein. Etwas was sie nur in der Bibliothek tun konnte, denn dort war niemals irgendjemand anderes. Während Thor und ihre Freunde lautstark polterten und immer zusammen etwas unternahmen, zog sich Freya von Zeit zu Zeit in ihre eigenen Welten zurück.

Etwas das sie auch immer dann tun konnte, wenn sie sich mit Kindern beschäftigte. Denn gerade die Kinder Asgards waren von der Prinzessin hin und weg. Die Mädchen sahen in Freya die liebreizende Prinzessin und die Jungen sahen in ihr die mutige Kriegerin und von den Geschichten die Freya ihnen erzählte konnten die Kinder nicht genug bekommen. Dann war Freya wirklich glücklich.

Sogar noch etwas mehr als dann wenn sie sich in einem Übungskampf befand. Denn die Kinder erfuhren von ihren Träumen und Wünschen aber ihr Kampfpartner erfuhr nichts über sie, außer wie geschickt sie war.

Freya sehnte sich daher danach, dass sie irgendwann jemanden finden würde der sich für mehr an ihr interessieren würde als ihre Schönheit und Kampfkraft.


***Kapitel 1***

 

Es war ein wunderschöner Tag in Asgard als sich Loki gegen Thor in einem Übungskampf behaupten musste. Der jüngere Prinz wusste, dass er keine Chance gegen seinen älteren Bruder hatte. Vor allem seitdem dieser Mjöllnir besaß.

Ihre Freunde sogen scharf die Luft ein als Thor einmal mehr seinen Hammer schwang und sich Loki nur um Haaresbreite davor in Sicherheit bringen konnte. Loki blieb geduckt und hechtete an Thor vorbei um einem weiteren Schwinger zu entgehen, welcher auch prompt folgte. Als Thor feststellen musste dass Loki nicht mehr vor ihm kauerte sondern inzwischen das Weite gesucht hatte, war der Hammer schon wieder durch die leere Luft gesaust.

Mit einem breiten Grinsen ob der Feigheit seines kleinen Bruders, wandte er sich um. Loki hasste es wenn Thor so feixte. „Wann beweist du endlich deinen Mut und beendest diesen Kampf ehrenvoll?“, donnerte Thor.

Loki atmete schwer und Schweiß rann ihm von der Stirn, während Thor noch so frisch wirkte wie vor einer Stunde. Seit einer Stunde versuchte Thor Loki mit dem Hammer zu erwischen und den Kampf zu gewinnen, während Loki sich weigerte aufzugeben und immer wieder den Schlägen ausgewichen war. Zu Beginn noch flink und agil wie ein Reh, war Loki nun dem Ende seiner Kräfte näher gekommen und konnte sich nur noch mit Mühe dem Hammerschlag entziehen. „Wann hörst du auf wie ein stumpfsinniger Wilder nach mir auszuholen?“, entgegnete Loki und versuchte seine Atemlosigkeit zu verbergen.

Thor runzelte die Stirn. Er sah dass Loki kaum mehr Kraft hatte und konnte nicht verstehen warum er sich dem unausweichlichen Ende nicht einfach stellte. Stattdessen versuchte er offensichtlich auf Zeit zu spielen. Thor zuckte mit den Schultern, hob den Hammer über seine Schulter und sprang mit Gebrüll auf Loki zu.

Loki wusste dass es so kommen würde, verharrte aber weiterhin an Ort und Stelle. Kurz bevor Thor ihn mit dem Hammer treffen würde, schloss er sogar die Augen.

Thor sah dies und wollte schon erfreut auf Loki einschlagen, als der Hammer einmal mehr durch Luft glitt und Loki sich auflöste. Thor traf anstelle von Lokis Kopf, den Boden auf dem er eben noch gestanden hatte. Bevor Thor klar wurde was geschehen war, tauchte der echte Loki hinter dem knienden Thor auf und hob ihm ein Messer an die Kehle.

Damit war der Kampf beendet und Loki hatte wiedererwarten gewonnen. Weder Thor noch ihren Freunden am Übungsrand wollte in den Kopf dass Loki gerade trotz Mjöllnir gewonnen hatte, als sich ein Diener eilenden Schrittes näherte.

Loki lies Thor gehen, welcher sich ächzend aufrichtete und schimpfte: „Du hast getrickst, das war nicht fair!“ Loki lies das Messer in seinem Stiefel verschwinden und zuckte mit den Schultern, als der Diener vor ihnen zum Stehen kam. Mit tiefem Verbeugen zollte er den Prinzen Asgards seinen Respekt, bevor er ausrichtete dass der Allvater seine Söhne zu sehen wünsche.

Thor schwang seinen Hammer über die Schulter und runzelte die Stirn. „Hast du wieder irgendwas angestellt?“ fragte er genervt seinen Bruder, der sich schon zum Gehen gewandt hatte. Loki hielt inne und meinte zu Thor gewandt: „Wie denn? Ich war doch die ganze Zeit hier.“ Thor kam an seine Seite und während sie gemeinsam ihren Weg zum Thronsaal ihres Vaters aufbrachen, antwortete Thor abschätzig: „Darüber kann man sich bei dir niemals sicher sein.“ Loki grinste schräg, antwortete jedoch nicht darauf.

Im Palast wurden die Brüder von ihrer Mutter abgefangen, die ihnen den Wunsch Odins genauer erklärte, während sie die beiden zum Thronsaal schob. „Er hat euch doch gestern gesagt, dass er euch heute bei den Audienzen dabeihaben will. Ihr sollt als zukünftige Herrscher euren Vater dabei beobachten wenn sich Botschafter und Bittsteller an ihn wenden. Wann zeigt ihr beiden etwas mehr Interesse an den Aufgaben eines Herrschers?“, tadelte Frigga ihre Söhne. „Wir haben es vergessen“, versuchte sich Thor zu verteidigen und stellte den Hammer vor den Türflügeln des Thronsaals ab. Jedoch wischte die Königin jeden Erklärungsversuch ihres ältesten mit einer Handbewegung davon. „Keine Ausflüchte!“, mahnte sie und zerrte an Thors rotem Umhang um ihn wieder in Ordnung zu bringen.

Hinter seiner Mutter sah Thor, wie Loki amüsiert feixte. Sich sogar eine Hand vor den Mund hielt und sich etwas abwandte. Mürrisch maulte Thor: „Und was ist mit Freya? Bekommt sie keine Ermahnung?“ Während Frigga die beiden jungen Männer durch die großen goldenen Türen in den Thronsaal schob, erklärte sie trocken: „Freya hat die Bitte eures Vaters nicht vergessen.“


***Kapitel 2***

 

Freya hatte an diesem besagten Vormittag an den Übungskämpfen nicht teilgenommen. Stattdessen wurde sie von ihren Kammerzofen herausgeputzt um für die Audienzen an denen sie teilnehmen sollte angemessen gekleidet zu sein.

Das Kleid welches sie nun im Thronsaal trug war sehr schlicht, bodenlang, grün – wie ihre Augen - und ohne Träger. Es war mit einer goldenen Borte um ihren Ausschnitt verziert, die sich auf Höhe ihrer Taille überkreuzte und hielt damit das Kleid an Ort und Stelle. Um ihren Hals schimmerte das sagenumwobene Schmuckstück Brisingamen, das mit seinen Smaragden im goldenen Licht des Saals die Aufmerksamkeit eines jeden auf sich zog.

Freya stand auf der linken Seite des thronenden Allvaters und hatte ihren Blick auf den neu eintreffenden Bittstellers aus Wanenheim gerichtet. Dieser war kein geringerer als der Sohn des Königs Njörd aus Wanenheim. Sein Name war Prinz Odur, wie der Herold vernehmen lies. Noch bevor Prinz Odur den Saal durchschritten und den Thron erreicht hatte, schwangen die großen, goldenen Flügeltüren rechts vom Allvater auf und Thor und Loki wurden hereingeschoben.

Während Freya die beiden Zuspätkommer mit einem genervten Blick strafte, tat Odin als wäre nichts geschehen. Die beiden Prinzen Asgards suchten eilig ihre Plätze – Thor auf der rechten Seite und Loki auf der linken Seite Odins, jedoch etwas höher gestellt als Freya.

Inzwischen hatte Prinz Odur den Saal durchquert und kniete nun vor Odin Allvater nieder um seine Aufwartung zu machen. Während Odin und Odur die vorgeschriebenen Höflichkeiten austauschten, zischte Freya unmerklich zu Loki: „Wie konntet ihr nur zu spät kommen und mich alleine lassen?“ Loki, der sein feierlichstes Gesicht aufgesetzt hatte, seitdem er sich an seinem Platz eingefunden hatte, erwiderte knapp dass sie gekämpft und die Zeit aus den Augen verloren hatten. Freya schwieg.

Da sie nicht fragte wie der Kampf ausgegangen war, sah Loki kurz abwartend zu ihr herunter, bevor er wieder den Blick auf Odur richtete. Schließlich, da sie nicht fragte, murmelte er: „Ich habe übrigens gewonnen.“ Erstaunt wollte Freya etwas sagen, wurde jedoch von den Geschehnissen im Thronsaal überrascht.

Odin hatte Prinz Odur inzwischen die Frage gestellt warum er in Asgard um eine Audienz gebeten hatte und Odurs Antwort warf Freya aus dem Konzept.

„Ich bin gekommen um Euch, Allvater, um die Hand von Prinzessin Freya zu bitten“, antwortete Prinz Odur aus Wanenheim mit fester Stimme.

Die Reaktionen der Anwesenden hätten unterschiedlicher nicht sein können. Thor öffnete den Mund und sah damit nicht sehr intelligent aus, während Odin die Ruhe selbst war und keinerlei Reaktion zeigte. Loki hätte am liebsten laut aufgelacht und zitterte leicht vor unterdrücktem glucksen, während Freya wie vom Donner gerührt dastand. Sie fühlte sich als hätte sie jemand ins Gesicht geschlagen.

„Um nicht mit leeren Händen dazustehen habe ich ein Geschenk für Prinzessin Freya mitgebracht“, erklärte Prinz Odur während er zwei Finger an seine Lippen legte und einen lauten, ohrenbetäubenden Pfiff von sich gab. Kaum hatte er seine Hand wieder gesenkt, hörten die Asen ein flügelschlagen und ein weißes, geflügeltes Pferd flog durch den Thronsaal an Odurs Seite. Als es neben ihm zum Stehen kam, legte das Pferd mit einem fröhlichen Wiehern seine Flügel an und senkte sein Haupt etwas. „Dies ist ein Pegasus aus der Züchtung meines Vaters König Njörd, sein Name ist Æsam. In keiner anderen Welt Yggdrasils werdet ihr ein schöneres Tier als diesen Hengst antreffen, dafür gebe ich Euch mein Wort“, bekräftigte Odur und lies eine Hand auf dem Nacken des Tieres ruhen.

Nun endlich reagierte auch Odin. „Wir danken Euch Prinz Odur für das Geschenk und nehmen es dankend an“, sagte Odin mit seiner tiefen, ruhigen Stimme und gab einen Wink an einen der Diener um das Pferd in die Ställe zu führen. Während das Pferd davongeführt wurde, erhob sich Odin mithilfe seines Speeres Gungir aus dem Thron. „Jedoch kann ich Euch die Hand meiner Nichte nicht ohne ihre Einverständnis geben“, begann Odin und bedeutete Freya zu sich zu kommen.

Freya kam, wenn auch wiederstrebend an die Seite ihres Onkels, der eine Hand auf ihre Schulter legte. „Es ist deine Entscheidung wem du dein Herz schenkst. Ich werde dich zu nichts zwingen.“ Freya schluckte, denn damit warf Odin den Ball ihr zu und es war an ihr, Prinz Odur eine Antwort zu geben. Insgeheim hatte sie gehofft dass ihr Onkel dem Prinzen die Leviten lesen würde und damit alles beendet wäre.

Sie wandte sich wieder Odur zu und versuchte zu verbergen, dass ihre Hände vor Aufregung schwitzten, indem sie ihre Finger in den Stoff ihres Kleides krallte. „Ich bin von Eurem Antrag angetan und bin Euch für euer Geschenk mehr als dankbar“, setzte Freya an und hatte das Gefühl, dass ihre Stimme gleich den Geist aufgeben würde. Trotzdem versuchte sie mit Hoheit und Würde weiterzusprechen. „Aber ich muss Euren Antrag ablehnen“, endete Freya und sah das freudige Glitzern in den blauen Augen Odurs ersterben. Hastig setzte sie hinzu: „Es liegt nicht an Euch verehrter Prinz, sondern daran, dass ich Euch nicht kenne.“ Darüber nachdenkend fügte sie noch hinzu: „Und Ihr kennt mich nicht.“

Odur verneigte sich leicht, wie um ihr recht zu geben und erklärte untertänig: „Das mag stimmen, jedoch habe ich von Eurem Liebreiz, Eurer Güte und Eurem Mut in meiner Welt gehört und mich in Euch verliebt. Jetzt da ich Euch gegenüberstehe sehe ich ein, dass die Gerüchte Euch nicht gerecht werden und Ihr sie bei weitem übertrefft.“ Freya fühlte sich elender als jemals zuvor.

„Aber ich…“ begann sie mit zittriger Stimme und erstarb dann. Odur erkannte seinen Fehler und fügte dann als Angebot an: „Lasst mich Euch besser kennen lernen. Ich würde gerne hierbleiben und Euch diese Möglichkeit geben.“ Freya versuchte den Klos im Hals loszuwerden, war sie doch dankbar, dass Odur eingelenkt hatte. Doch sie schaffte es nicht und konnte nicht antworten.

Ihr Onkel schien zu spüren, dass sie nicht selbst antworten konnte und richtete Prinz Odur sein Bedauern darüber aus, dass er die Bitte dieser Audienz nicht gewähren konnte und räumte ihm gleichzeitig das Gastrecht in Asgard ein. Odur verneigte sich tief und verließ mit seinen Dienern den Thronsaal.

Kaum war Odur und seine Gefolgschaft verschwunden, sackte Freyas Schulter nach vorn und ihre aufrechte Haltung ging von dannen. Odin gab seinen Söhnen ein Zeichen und die beiden durften ihre Plätze verlassen um Freya nach draußen zu geleiten.

Rechts und links von ihren Cousins eskortiert, passierte Freya dieselben goldenen Türen, durch die Thor und Loki vorhin durchgeschoben worden waren.


***Kapitel 3***

 

Als die schweren Türen hinter den dreien ins Schloss fielen, brachen Thor und Loki fast gleichzeitig in Gelächter aus. Freya drehte sich unverwandt um und bedachte die beiden mit einem bitterbösen Blick.

Thor riss sich sofort zusammen und setzte augenblicklich ein ernstes Gesicht auf, jedoch war Loki nicht in der Stimmung klein bei zu geben. Er hörte zwar auf zu lachen, machte aber einen Ausfallschritt und legte theatralisch eine Hand auf sein Herz und reichte seine andere Hand Freya. „Oh du liebliche, kleine Prinzessin deren Schönheit von keinem Stern übertroffen werden kann, erhöre mein Flehen und lass mich dich kennen lernen“, rezitierte Loki spöttisch. Freya und Thor sahen Loki an und während Thor in tosendes Gelächter ausbrach, versuchte Freya Loki mit ihrem Blick zu erwürgen.

Loki, noch immer in seiner lächerlichen Pose, grinste schelmisch und schien zu erwarten, dass Freya auf sein Gehabe einging. Stattdessen raffte sie ihr Kleid ein wenig und trat schnell auf Loki zu. Während sie mit der linken Hand ihr Kleid vom Boden anhob, legte sie ihre Rechte auf den Brustkorb Lokis und schubste ihn mit aller Kraft um. Loki landete auf seinem Hintern und sah Freya an, als wüsste er nicht womit er das verdient hätte. Diese rief „Idiot!“, wandte sich ab und ging so schnell sie konnte davon.

Thor, der sich vor Lachen sogar schon den Bauch halten musste, reichte seinem Bruder eine Hand. „Weiber sind halt schwierig“, stellte Thor fest und beruhigte sich wieder, während sich Loki an seiner Hand hochzog. „Aber was sollte das denn?“, fragte Loki seinen Bruder. „Das sollte doch bloß ein Spaß sein.“ Thor zuckte mit der Schulter und hob seinen Hammer auf, der noch neben der Türe lag. Mit diesem deutete er auf Loki, der Freya noch immer hinterher sah und meinte: „Du schuldest mir einen Kampf, ich will eine Revanche und diesmal Fair!“

Für Thor war damit alles was in den letzten paar Minuten geschehen war vergessen. Loki sah ihn verständnislos an und wollte etwas sagen, als er sich eines Besseren besann. „Wenn der Kampf fair sein soll, dann musst du Mjöllnir weglassen“, erklärte Loki ungerührt und begann Thor auf dem Weg zum Übungsplatz zu folgen.

„Vergiss es“, war Thors Antwort und Loki meinte: „Das wusste ich. Dann wunder dich nicht wenn ich Magie anwende.“ Thor schnaubte verächtlich jedoch auch amüsiert und die beiden gingen schwatzend davon.

Freya hatte sich zwar von den beiden entfernt, hatte jedoch hinter einer Korridorbiegung gehalten und sich an die Wand gelehnt. Sie war von den Geschehnissen im Thronsaal aufgewühlt gewesen, doch das Gefühl war seit Lokis Einlage in Wut um geschwungen. Nachdem sie mitbekommen hatte wie ihre Cousins nach ihrem Verschwinden reagiert hatten, war sie enttäuscht von ihnen.

Sie hatte gehofft, dass die beiden wie früher zu ihr halten würden und ihr anbieten würden Prinz Odur zu verschlagen oder einzuschüchtern, damit er so schnell wie möglich aus Asgard verschwand. Stattdessen hatten sie sich lustig darüber gemacht. Nein, noch viel schlimmer, es war ihnen egal was mit ihr geschah, solange Thor seine Revanche bekam und sich Loki lustig machen konnte.

Freya spürte die Wut aufsteigen, jedoch kam auch ein Schwung Trauer mit und sie stieß sich aufseufzend von der Wand ab und ging in Richtung Bibliothek davon. Was sie jetzt benötigte war ihr Lieblingsbuch, welches sie an ihrem Lieblingsort lesen wollte. In den Rosengärten unter einem Baum der goldene Blätter trug.

Gegen Nachmittag – Thor hatte Loki inzwischen zweimal besiegt – verließ Loki die Übungskämpfe mit der Erklärung er sei inzwischen zu Müde. Und obwohl er die mitleidigen Blicke der anderen verabscheute, wollte er wirklich nicht wieder mitanhören wie Thor ihn beim zweiten Kampf umgerannt hatte. Tatsächlich taten ihm verschiedene Knochen in seinem Körper weh und er freute sich, dass sich jetzt Hogun vor Mjöllnir in Acht nehmen musste.

Auf seinem Weg zurück in den Palast kam Loki an den Rosengärten vorbei, in denen er lachen vernahm. Neugierig wie immer, schlich sich Loki an den Rosenbüschen vorbei und bahnte sich so einen Weg zur Quelle des Lachens. Irgendwann vernahm er eine Männerstimme die ihm bekannt vorkam, doch er wusste nicht woher. Schließlich erkannte er, dass die Stimme vom goldblättrigen Baum herkam. Auf Zehenspitzen schlich er so nahe an den Baum heran, ohne gesehen zu werden. Mit einem Blick in den Himmel schätzte er, dass es bald dunkel werden würde und er dann mithilfe seiner Magie ungesehen nahe genug herantreten können um zu erspähen wer sich da aufhielt.

Während er auf die Dunkelheit wartete, identifizierte er die andere Stimme als die Freyas. Natürlich war Freya da, Loki wusste, dass dieser Ort ihr Lieblingsort in den Rosengärten war. Loki rühmte sich schon seit Jahren im Stillen, dass er alle Orte kannte an die Freya am liebsten hinging. Doch wer war da bei ihr?

Loki hörte die Männerstimme etwas sagen, konnte jedoch nicht verstehen was und Freya lachte auf. Loki kannte dieses Lachen, denn es war dasselbe Lachen dass Freya hatte wenn sie mit Kindern zusammen war. Nur selten hörte er ihre Stimme wie sie sich so glockenrein überschlug vor Freude. Er spürte einen Stich in seinem Brustkorb.

Inzwischen war es dunkel geworden und Loki konnte sich einen Mantel aus Schatten überziehen und trat um die Rosenbüsche herum, um endlich näher an die beiden heranzutreten. Doch als er sah wer da unter dem Baum saß, fror er mitten in der Bewegung ein. Er traute seinen Augen kaum: dort, am Lieblingsort von Freya, unterhielt sich Prinz Odur mit eben dieser, die vor Lachen die Hand vor ihren Mund geschlagen hatte.

Loki zog sich fast hektisch wieder zurück und atmete schwer. Zwar konnten ihn die beiden nicht sehen, trotzdem hatte er das Gefühl, dass sie sein lautes Herzklopfen gehört haben mussten. Er lauschte, doch das Gespräch der beiden ging ohne Unterbrechung weiter. Sein Herz raste und sein Brustkorb hob und senkte sich rasch. Mit einer Hand auf seinem Herz, atmete Loki tief ein und wieder aus, um sich zu beruhigen, dann schlich er leise los. Am Baum angelangt, versteckte er sich trotz Unsichtbarkeit hinter dem Stamm und lugte vorsichtig zu den beiden vor.

„…Ich schwöre ich habe niemals in meinem Leben etwas ähnlich seltsames und komisches zugleich gesehen“, erklärte Odur glucksend und Freya versuchte immer noch die Fassung wiederzuerlangen. Während sie sich beruhigte sah Loki, dass Odur Freya musterte und es gefiel ihm ganz und gar nicht was in seinen Augen zu sehen war.

„Prinz Odur Ihr habt Euch das doch nicht nur ausgedacht um mich zum Lachen zu bringen, oder?“, fragte Freya. „Nein, ich schwöre ich habe dieses Wesen in Muspelheim gesehen und als ich es jagen wollte, um es meinem Vater zu zeigen, ist es weggehüpft!“, erklärte Odur ehrlich. „Weggehüpft?“, fragte Freya erstaunt und Odur nickte heftig. „Ja, es hat unter seinem runden Körper ein Bein und damit ist es so weggehüpft“, bestätigte Odur und stand auf. Lokis Blick folgte Odur, ebenso wie es Freya tat und sah ihm dabei zu, wie er mit einem Bein herumhüpfte und mit den Armen wedelte als wolle er fliegen. Freya lachte ob der lustigen Bewegungen Odurs auf und Loki schnaubte lautlos. Er musste sich eingestehen, dass Odur Freya keinen Bären aufband, sondern dieses Tier tatsächlich existierte.

„Das ist doch nicht möglich“, brachte Freya hervor, worauf Odur aufhörte sich zum Narren zu machen. „Oh doch, ich schwöre es gibt dieses Tier“, beteuerte er und kam wieder zu Freya um sich neben ihr niederzulassen. „Und habt ihr es gefangen?“, fragte Freya zweifelnd und Odur schüttelte den Kopf. „Es war viel zu schnell“, seufzte Odur. Freya sah Odur an und Loki las in ihrem Blick, dass sie Odur nicht glaubte und sie in dessen Augen nach einem Beweis für seine Aufrichtigkeit suchte. Was er nun in ihren Augen sah, gefiel ihm ebenfalls nicht.

Mit einem leichten Lächeln sah sie zu den Sternen empor und stand dann auf. „Es hat mich sehr gefreut Euren Geschichten zu lauschen, Prinz. Vielleicht gelingt es euch dieses Tier zu fangen und Ihr könnt mir seine Absonderlichkeit eines Tages vorführen. Bis dahin jedoch, verabschiede ich mich für heute und wünsche Euch eine geruhsame Nacht“, verabschiedete sie sich von Odur, der ebenfalls aufgestanden war. „Das wünsche ich Euch auch Prinzessin“, antwortete er und nahm sogar ihre rechte Hand um ihr einen leichten Kuss auf den Handrücken zu hauchen.

Loki verzog das Gesicht, nicht wegen des Kusses, sondern wegen der Schmerzen in seiner Brust als er Freyas entzücktes Gesicht sah. Er fühlte sich als hätte ihn jemand geschlagen.


***Kapitel 4***

 

Am Frühstückstisch von Odin saßen dieser und Frigga als erstes und genossen schweigend ihr Essen, während Thor auf Odin einredete und versuchte diesen zu überzeugen, dass er nach Muspelheim zum Jagen gehen durfte. Freya saß schweigend neben ihrer Tante und knabberte gedankenverloren an einem Brot, als sich auch der jüngste Sohn Odins blicken ließ. Loki sah müde aus und er ging schleppend, so als hätte er gestern beim Training alle kraft aufgebraucht. Gähnend und ohne eine Hand vor seinen Mund zu halten, sank er neben seinem Bruder und gegenüber von Freya auf den Stuhl. „Nimm die Hand vor den Mund“, ermahnte Frigga ihren jüngsten Sohn, der nur nuschelte: „Schon zu spät.“

Mit einem missbilligenden Kopfschütteln aber einem liebevollen schmunzeln, fragte sie: „Warst du wieder die ganze Nacht wach und hast gelesen?“ Thor, der von seinem Vater endlich die Erlaubnis erhalten hatte Jagen zu gehen, mischte sich nun in das Gespräch von seiner Mutter und Loki ein. „Er ist wahrscheinlich einfach nur so Müde weil ich ihn gestern zwei Mal hintereinander im Kampf geschlagen habe. Du rennst einfach viel zu viel davon“, setzte er noch an Loki gewandt hinzu und boxte ihn grinsend.

Während Loki sich die schmerzende Stelle an seinem Arm hielt, wo ihn Thor geboxt hatte, grummelte er nur: „Wart ab“, und bis herzhaft in einen Apfel. „Und was hast du gestern Abend noch gemacht?“, fragte Frigga ihre Nichte, die so ungewohnt still am Frühstückstisch saß. Freya zuckte zusammen als hätte man sie bei etwas verbotenem erwischt und räusperte sich. „Ich… ähem, Prinz Odur und ich haben uns gestern Abend noch etwas unterhalten“, stammelte sie dann. Ihr entging der Wissende Blick zwischen ihrer Tante und ihrem Onkel keinesfalls, trotzdem tat sie so als hätte sie ihn nicht gesehen.

„Hach wie romantisch“, setzte Loki an und verdrehte dabei affektiert die Augen. Den angebissenen Apfel nun auf seiner Handfläche vor sich haltend, fing er mit tieferem Tonfall an auf diesen einzureden wie mit einer Person: „Kleine Prinzessin Freya wollt ihr nicht das Pferd streicheln? Es ist aus dem Stall meines Vaters und nur für Euch“, dann veränderte Loki seine Stimme und säuselte „Oh aber sicher doch mein Prinz.“ Dabei klimperte er mit den Wimpern, was Thor wieder einmal zum Grölen brachte, bis ihm die Tränen in die Augen traten.

Selbst Odin konnte ein amüsiertes glitzern ob der gekonnten Darstellung seines jüngsten Sohnes nicht verkneifen, lediglich Frigga meldete sich tadelnd zu Wort. „Loki, lass das. Es ist einzig allein Freyas Sache mit wem sie ihre Zeit verbringt. Ich wünsche, dass ihr beiden sie in Ruhe lasst“, und an Freya gewandt fügte sie noch hinzu: „Deine Gefühle sind sicherlich neu für dich, aber du musst dich ihrer nicht schämen, es ist ganz natürlich.“ Freya sah ihre Tante mit offenem Mund an.

Sie fühlte sich wie ein Kind und es betrübte sie, dass ihre Tante annahm das alles wäre neu für sie. So als hätte sie es noch nie mit einem anderen Mann zu tun gehabt. Doch da gab es zum einen Fandral, einer ihrer Freunde, der schon seit langem ein Auge auf sie geworfen hatte. Aber auch der schüchterne Hödur und der stolze Balder umwarben Freya wenn sie die Gelegenheit hatten. Sie flirtete mit vielen Männern in Asgard und ihren ersten Kuss hatte sie schon lange jemand anderem geschenkt.

Einzig die Tatsache, dass sie noch nie offiziell um ihre Hand gebeten wurde, reichte aus damit ihre Tante dachte, dass ihre Nichte es noch niemals mit einem Mann zu tun gehabt hatte. Freya stand vom Tisch auf und meinte kühl: „Ich weiß Tante Frigga, trotzdem danke für den Rat.“ Damit verließ sie den Raum.

Königin Frigga sah überrascht hinter Freya her und wandte sich dann mit fragendem Blick ihren Söhnen zu. Thor lächelte seine Mutter an und meinte nur: „Es ist nicht das erste Mal, dass Loki sich über die Annäherungsversuche von den Interessenten Freyas lustig macht.“ Er stand ebenfalls auf und wollte den Raum verlassen, als Loki sich erklärte: „Es hört sich einfach immer so aufgeblasen an, wenn sie um ihre Aufmerksamkeit betteln.“ Hinter Loki vorbeigehend ließ Thor seine Faust auf Lokis Kopf niederfahren und verpasste ihm eine Kopfnuss, wobei er scherzte: „Böser Loki.“

Loki rieb sich den Kopf und folgte mit seinem Apfel in der Hand Thor, um nicht seiner Mutter die Möglichkeit zu geben weitere Fragen zu stellen. Diese sah den beiden jungen Männern nachdenklich hinterher, die sich mit Worten gegenseitig anstachelten.

„Ich glaube sie haben mich alle missverstanden“, seufzte Frigga auf und sah ihren Gemahl an. Odin schmunzelte und nickte mit dem Kopf. „Das sehe ich genauso und ich glaube, dass sie dich erst verstehen werden wenn sie die Person gefunden haben, die sie lieben und denen sie dann einen Antrag machen oder annehmen“, erklärte Odin. Frigga nickte zustimmend. „Bis dahin wird sich Freya unglaublich hilflos fühlen wenn sie die Heiratsinteressierten fortschicken muss“, vermutete Frigga mitfühlend und fügte leicht ärgerlich hinzu: „Und Loki ist ihr da keine Hilfe.“

Odin gluckste und wiedersprach: „Ich vermute, dass Loki es ihr mit diesem Verhalten leichter macht.“ Frigga sah ihren Mann verwirrt an und fragte: „Wie meinst du das?“ „Nun, dadurch muss sich Freya vor ihm behaupten. Um dies zu tun muss sie zu ihren Gefühlen voll stehen und nur so kann sie sich davor schützen die falsche Wahl zu treffen. Wenn Loki sich eines Tages über den Mann lustig macht, dem ihr Herz gehört, wird er sich vor ihr vorsehen müssen“, erklärte Odin.

Frigga begann zu verstehen warum Odin sich vorhin nicht am Esstisch eingemischt hatte. Loki war der Spiegel und solange Freya tief in ihrem Herzen dem zustimmte was sie sah, würde sie keine falsche Wahl treffen. Aber sollte sie dem, was Loki ihr irgendwann mal spiegelte nicht mehr zustimmen, weil sie sich sicher war, traf sie die richtige Entscheidung.


***Kapitel 5***

 

Thor hatte an diesem Vormittag alle Vorbereitungen für den Jagdausflug getroffen, seine besten Freunde und sogar Prinz Odur dazu eingeladen. Dass Loki und Freya mit von der Partie waren, war klar, da die drei meistens zu dritt jagen gingen. Egal ob mit oder ohne Erlaubnis des Allvaters.

Für Freya war die Gelegenheit perfekt ihr neues, geflügeltes Pferd zu reiten und dabei gleichzeitig mit Odur Zeit zu verbringen. Loki war dabei um Thor nicht wieder die Möglichkeit zu geben sich danach über ihn lustig zu machen, obwohl er viel lieber in der Bibliothek an einem Zauber gearbeitet hätte.

In der Kuppel des Bifröst erklärte Thor Heimdall gerade, dass sie alle die Erlaubnis hatten in Muspelheim jagen zu gehen, als Odur Freya erklärte was Æsam am liebsten fraß. „Wenn du ihm etwas ganz besonderes zugestehen willst, dann solltest du dir die Mühe machen Karotten von Midgard anzupflanzen. Er liebt es an ihnen zu kauen“, erklärte er und streichelte über Æsams Nacken, ebenso wie es Freya tat.

Loki biss die Zähne zusammen und beobachtete wie sich die Fingerspitzen der beiden berührten, bevor sich Freya lächelnd bei Odur für den Rat bedankte und die Zügel ergriff.

In Muspelheim angelangt, erstreckte sich vor den acht Jägern der dunkle und unzähmbare Wald von Sutur. Es rankten sich vielerlei Legenden um diesen Wald, in dem schon so mancher Jäger für immer verschwand und die merkwürdigsten Kreaturen hausten. Sogar Drachen sollten in diesem Wald ihr Unwesen treiben und Thors größter Wunsch war es einem Drachen den Garaus zu machen.

„Bleibt immer in der Gruppe und wenn ihr euch unbedingt trennen wollt, dann niemals weniger als zu zweit!“, brüllte Thor und schwang seinen Hammer über dem Kopf bevor er seinem Pferd die Sporen gab und in den Wald jagte.

Natürlich verjagte die Gruppe jedes Wild in ihrer Nähe als sie zusammen durch den Wald preschten, jedoch war dies von Nöten um in das Herzstück des Waldes zu gelangen. Von dort ab hieß es: absteigen und zu Fuß weiter. Die Pferde wurden von Loki in einen Mantel der Unsichtbarkeit gehüllt, der nur die anderen Tiere von ihrer Spur abbrachte.

Leise schlich die Gruppe durch den Wald, bis Thor mit einer Handbewegung zu verstehen gab, dass vor ihnen ein Eberähnliches Tier nach etwas zum fressen scharrte. Leise legte sich Thor auf die Lauer und Sif und Hogun kamen an seine Seite. Freya indessen sah etwas rechts von ihr durch die Bäume blitzen und flüsterte kaum hörbar aber freudig erregt: „Da ist das seltsame Tier!“ Kaum hatte sie ihren Satz beendet, preschte sie durch das Gestrüpp und jagte etwas hinterher. Odur, der seit Waldanfang an ihrer Seite geblieben war – sehr zum Missfallen Lokis – hechtete hinter ihr her. Thor hatte unwillig aufgesehen als er Freya gehört hatte und bedeutete Loki genervt, dass er ihr gefälligst folgen solle. Loki verdrehte die Augen und sprang agil ins Dickicht.

Freya vergas die Regel Thors und sprang so schnell sie konnte hinter dem runden, springenden Ball her, dessen Distanz zu ihr immer größer wurde. Sie wollte das seltsame Vieh von dem sie am vorigen Tag gehört hatte genauer betrachten oder es selbst erlegen.

Prinz Odur versuchte Freya einzuholen, doch so schnell er auch war, Freya war einfach zierlicher als er und so war sie ihm immer einen Schritt voraus. Loki hatte die beiden inzwischen verloren, zumindest konnte Odur ihn nicht mehr hinter sich ausmachen.

Irgendwann blieb Freya schwer atmend stehen. Sie sah ein, dass sie das Tier verloren hatte und es hatte auch keinerlei Fußabdrücke hinterlassen, denen sie folgen konnte. Neben ihr kam Odur verschwitzt zum Stehen. Auch er füllte japsend seine Lungen mit Luft bevor er sagte: „Prinzessin, ihr seid wahrlich eine impulsive Jägerin.“ Sich die Hüfte vor Schmerzen haltend lächelte Freya Odur an. „Und Ihr konntet mit mir mithalten, meinen Respekt Prinz. Es schaffen in ganz Asgard nur zwei Personen mich im Wettrennen zu besiegen“, erklärte sie bewundernd. Odur nickte dankbar und lies den Kopf kurz erschöpft hängen, bevor er sich wieder zu voller Größe aufrichtete.

„Wo sind wir hier?“, fragte Odur plötzlich und sah an Freya vorbei. Diese zuckte mit der Schulter und folgte seinem Blick. Hinter ihr tat sich ein atemberaubender Anblick auf. Sie hatten einen Wasserfall entdeckt, dessen Wasser in einem kleinen, kristallklaren See mündete. Durch das feine aufgewirbelte Wasser schimmerte ein Regenbogen in allen Farben die es gab, denn der See lag in einer Lichtung. Diese hell erleuchtete und von Blumen aller Art und Größe gesäumte Waldlichtung bildete einen so starken Kontrast zum sonst so dunklen Wald, dass sich Freya und Odur die Augen beschatten mussten um den Anblick zu genießen.

„Kommt mit“, rief Odur plötzlich und ergriff Freyas Hand um sie auf die Lichtung zu führen. Freudig ließ sie sich von dem älteren Mann führen und bestaunte die Pracht. Am Rand des Sees erst ließ Odur ihre Hand los, ließ sein Schwert in der anderen fallen und ging in die Knie um sich etwas Wasser zu schöpfen. Freya dagegen wandte sich den Blumen zu und legte ihren Bogen und den Köcher ins Graß zum Schwert von Odur.

„Ich habe solche Blumen noch nie gesehen“, stellte Freya leise fest und ging auf die großen, Kelchförmigen, blauen Blumen zu. Sanft strich sie mit einem Finger über den Rand der Blume und bestaunte wie ein Schwarm bunter Schmetterlinge aus dem Inneren aufstoben. „Sie sind viel zu groß um sie zu pflücken“, bemerkte sie bedauernd und wandte sich wieder zu Odur um. Dieser hatte sich inzwischen seines Wamses und seiner Stiefel entledigt und war in seiner hellbraunen Lederhose in das kühle Nass gesprungen.

Er tauchte kurz unter, nur um sofort wieder aufzutauchen und sich seine nassen, braunen Haare aus dem Gesicht zu streifen. Freya folgte den Wassertropfen die sich ihren Weg von seinen Haarspitzen über sein Gesicht bahnten, nur um vom Kiefer auf seinen muskulösen Oberkörper zu tropfen. Sie wollte ihren Blick abwenden, doch sie konnte nicht anders als den Wassertropfen weiter zu folgen, wie sie über seinen Oberkörper bis hin zu seinen Bauchmuskeln weiterglitten, wo einige der Tropfen in seinem Nabel verschwanden und andere weiter zu seinem Hosenbund wanderten.

Freya spürte wie sie errötete und wandte nun doch den Blick ab. Sie wusste nicht wie ihr geschah, denn ihr wurde schlagartig bewusst, dass sie mit Odur vollkommen allein war. Sie hatte die Gruppe verlassen und war nun mit dem einen Menschen allein mit dem sie am wenigsten zusammen sein wollte.

Mit bestimmtem Schritt trat sie zu ihren Waffen und meinte: „Wir sollten uns den anderen anschließen, bevor wir unsere eigenen Spuren nicht mehr folgen können.“ Odur lächelte und watete wieder an den Rand des Sees zurück. „So lange ist es noch gar nicht her dass wir hier sind“, wandte er ein.

Freya nestelte am Köcher herum, der aufgrund ihrer leicht fahrigen Bewegung ständig die Pfeile verlor, bis sie genervt aufstöhnte und sich den Köcher mit den fehlenden Pfeilen umband. Danach erst steckte sie die verlorenen Pfeile zurück. Inzwischen war Odur aus dem See gestiegen und hatte sich die Stiefel wieder angezogen.

Als Freya sich wieder Jagdbereit hergerichtet hatte und ihren Blick auf Odur richtete, trat der noch immer nicht vollständig angezogene an sie heran, nahm ihr Kinn in die Hand und küsste sie sanft auf ihre Lippen.


***Kapitel 6***

 

Lokis Hände brannten wie Feuer, sein Herz schmerzte so sehr pumpte es Blut durch seine Adern und in seinem Kopf herrschte ein durcheinander an Gefühlen wie er es noch selten erlebt hatte.

Nachdem er Odur und Freya gefolgt war, hatte er sich absichtlich von den beiden abgesetzt um ungesehen an ihnen vorbei zu spurten und das Tier als erster zu erwischen. Er hatte Freya im Unterholz überholt und war dem springenden Tier dicht auf den Fersen gewesen, als es auf die Lichtung gelangte. Loki hielt und wollte mit einem seiner Wurfmesser dem Wesen zusetzen, als sich überraschend ein riesiges, Froschähnliches, aber mit glasigen Schuppen überzogenes Monster aus dem See erhob und das rote Ballwesen am Rand des Sees mit einem Happs verschlang. Loki wich, obschon nicht in Fressweite es Froschmonsters, einen Schritt zurück und sah staunend wie das Monster rülpsend im See verschwand.

Hinter sich hörte er wie sich Freya näherte und Loki entschied das Weite zu suchen, und kletterte flink auf einen Baum. Dort hatte er schweigend gesessen und zugesehen wie sich Odur dem See und Freya den Blumen genähert hatten. Freya war bei der blauen Kelchblume vor dem Froschwesen in Sicherheit gewesen, daher machte er sich keine Sorgen um sie.

Als jedoch Odur sich seines Oberkleides und seiner Schuhe entledigte und in den See gewatet war, hoffte Loki inständig, dass das Monster noch immer hungrig war. Doch Odur kam unbeschadet aus dem Wasser heraus.

Und küsste Freya, die sich nicht dagegen wehrte.

Vor Lokis Augen drehte sich alles und ihm wurde schlecht. Krampfhaft krallte er sich in einen Ast um nicht vom Baum zu fallen, während er die beiden auf der Lichtung beobachtete. Es kam ihm vor wie Stunden in denen die beiden nur dastanden und ihre Lippen aufeinander pressten.

Schließlich entzog sich Freya als erste und sie senkte den Blick. „Wir sollten jetzt wirklich gehen“, entschied sie und drehte sich ruckartig um. Mit schnellen, fast hastigen Schritten verließ sie die Lichtung und ließ Odur, der sich sein Wams wieder anzog, alleine zurück. Mit einem Lächeln auf den Lippen, packte er sein Schwert und hastete hinter Freya hinterher.

Loki beobachtete Odur mit düsterem Blick und glitt langsam vom Baum herab. Während er durch den Wald zurück zu den Pferden lief – er hatte mit Magie einen Faden gesponnen den nur er sehen konnte und der ihn ohne Umwege zu den Pferden zurückführte – erdachte und verwarf er fieberhaft Pläne wie er Prinz Odur so schnell wie möglich wieder dahin zurückschicken konnte, wo er herkam.


***Kapitel 7***

 

Freya und Odur fanden nach langem Spurensuchen den Weg zurück zu ihren siegreichen Freunden, die bei den Pferden auf sie gewartet hatten. Es dämmerte bereits, als sie von Hogun erspäht wurden. „Da sind die beiden“, rief er erleichtert und wedelte Thor zu, dass er herkommen solle. Dieser war sofort aufgesprungen und atmete hörbar erleichtert aus. „Wenn euch beiden etwas passiert wäre, hätte mich der Allvater in kleine Scheiben geschnitten“, scherzte Thor. Doch an seinem erleichterten Gesichtsausdruck erkannte jeder, dass er damit vielleicht recht gehabt hätte.

„Schaut euch diesen Berg von Eber an!“, kam Sif freudig zu ihnen herübergerannt und deutete zu den Pferden. Tatsächlich lag auf einer Bahre die von vier Pferden gezogen werden musste, ein zwei Meter hohes, Goldschimmerndes, totes Ungetüm mit Hauern wie bei einem Eber. Freya staunte und kam näher heran, als Odur die Stirn runzelte und zurück in den Wald blickte.

„Wir haben Prinz Loki verloren, kurz nachdem ich losgerannt war, um Prinzessin Freya einzuholen“, erklärte Prinz Odur. Thor schüttelte den Kopf, als sich Lokis Stimme hinter einem Pferd zu Wort meldete: „Ich bin euren Spuren gefolgt, bis ich auf das Ballonwesen traf.“ Er kam hinter dem Pferd hervor, an dem er gerade eine weitere Bahre angebunden hatte.

„Ich hab euch beide nicht gefunden und habe es selbst erlegt“, erklärte er gleichmütig und deutete auf einen roten Kadaver, der nicht größer als ein Ferkel war. Daher hatten ihn Freya und Odur übersehen.

Freya wandte ihren Blick vom Eber ab und kam an das rote Wesen heran. „Aber es ist viel kleiner als das was ich gesehen habe“, begann sie, als Loki neben sie trat. „Stimmt, aber als ich es tötete entwich alle Luft aus dem Tier und es begann in sich einzufallen, bis es nur noch so groß war“, erzählte Loki und deutete auf den Kadaver vor sich. Freya ging in die Hocke und begann das tote Tier zu untersuchen.

Es hatte rote, jetzt verschrumpelte Haut. Da wo es Arme haben sollte, befanden sich kleine Flügel und da wo die beiden sein sollten, war lediglich ein Korkenzierartiges Standbein. Vier kleine Augen sahen leblos in der Mitte des Körpers zu Freya auf und direkt darunter fand sie zwei kleine, Schlangenartige Nüstern. Von einem Maul war nichts zu finden.

Odur trat hinter Freya um einen Blick auf das Tier zu erhaschen und stimmte zu „Es ist auf jeden Fall das Tier, dass ich vor wenigen Monaten hier im Wald erblickt habe. Nur eben…“, er suchte nach dem richtigen Wort „…leerer.“ Freya war mit ihrer Inspektion fertig und richtete sich wieder auf.

„Es war unglaublich flink, ich konnte es nicht einholen. Wie hast du es fangen und töten können?“, fragte Freya Loki neugierig. Auch Odur richtete fragend seine Augen auf ihn. „Vielleicht hast du seine Spur verloren“, meinte Loki abwehrend. „Jedenfalls habe ich euch aus den Augen verloren, bin eurer Fährte gefolgt und plötzlich stand es vor mir. Als es das Weite suchte bin ich ihm nachgesetzt und habe es schließlich erlegen können. Da ich inzwischen ebenfalls zu weit von den anderen weg war, bin ich wieder zurückgegangen“, endete Loki. Volstagg stimmte zu und meinte „Er ist vor Stunden schon da gewesen, weshalb wir uns Sorgen um euch gemacht haben.“

Freya schwieg und Odur erklärte an ihrer Stelle, dass sie das Wesen auf felsigem Grund verloren hatten und deswegen hätten sie so lange gebraucht um ihren eigenen Spuren wieder zurück zu folgen. Da Freya weiterhin schwieg, stellte keiner mehr eine Frage und Thor wies Loki an seine Beute endlich auf der Bahre festzuschnallen damit sie es vor Einbruch der Nacht noch aus dem Wald schafften.

Alle stieben auseinander um zu ihren Pferden zu gelangen, während Loki wortlos Thors Anweisung Folge leistete. Trotzdem schafften sie es nicht rechtzeitig zum Bifröst.

Kaum waren sie Zuhause angelangt, sahen sich die Jäger dem Allvater persönlich gegenüber und alle gingen hastig in die Knie oder verbeugten sich tief.

„Habe ich nicht ausdrücklich verlangt, dass du deine Jäger vor Sonnenuntergang wieder nach Asgard bringen sollst?“, donnerte Odins gebieterische Stimme durch den Bifröst und Heimdall zog sich wortlos zurück. Thor erhob sich und deutete freudestrahlend auf den goldenen Eber hinter sich. „Ich habe dir diesen goldenen Eber beschafft, dessen Fell dich in den kalten Monaten wärmen soll Vater“, bot er seinem Vater an. Odins Wut verrauchte als er dem Eber gewahr wurde und bedeutete den Knienden sich wieder zu erheben. „Nun gut, ich will nicht kleinlich sein. Es ist niemandem etwas passiert und mit diesem Monster an Eber habt ihr sicherlich länger als geplant gebraucht um wieder zum Bifröst zu gelangen“, lenkte Odin gnädig ein.

„Für dieses prachtvolle Tier muss natürlich ein festliches Mahl zubereitet werden um deine Jagd gebührend zu feiern mein Sohn“, erklärte Odin und legte Thor eine Hand auf seine Schulter während sie den Bifröst verließen. Erleichtert entspannten sich die restlichen Jäger und führten ihre Pferde hinter dem Allvater und seinem erstgeborenen her.

Loki murmelte kaum hörbar: „Ich habe eine neue Art entdeckt Vater.“ Dann seufzte er kurz auf und wollte sein Pferd losführen, als Freya neben ihm meinte „Und wie wirst du diese Art nennen?“ Loki sah sie kurz überrascht an, dachte kurz nach und entschied: „Mökkurkalfi.“ Freya stutzte und kicherte dann.

Odur hatte zugehört und runzelte grüblerisch seine Stirn. Er verstand nicht warum Loki sich diesen Namen ausgedacht hatte und warum Freya sich darüber so amüsierte, daher schwieg er. Freya hingegen fing sich wieder. „Vortreffliche Wahl Loki, wirklich passend“, meinte sie und führte Pegasus neben Odur Richtung Palast.


***Kapitel 8***

 

Am nächsten Abend hatten die Diener des Palastes den Eber für das Bankett zu Ehren des ältesten Sohnes von Odin vorbereitet. Das abgezogene, goldene Fell lag über dem Bankettthron Odins und der Eber röstete über einem Feuer in der Mitte es Festsaales.

Drei lange Tafeln waren um den Eber herum gedeckt worden und an der königlichen, längsten Tafel thronte Odin in der Mitte. Rechts von ihm saß Thor und daneben Loki, während links vom Allvater seine Frau Frigga thronte und daneben Freya und deren Gast, Prinz Odur. Gegenüber von Thor und Loki saßen Sif und Volstagg, während gegenüber von Freya und Odur, Hogun und Fandral ihren Sitzplatz hatten.

Odin erklärte nach einer Flammenden Rede über Thors Jagdtrophäe und einem kurzen Vermerk über Lokis Entdeckung die Festtafel als eröffnet. Bald darauf wurde reichlich Met dargeboten und das Fleisch des Ebers verschwand zusehends von seinen Knochen.

Wie bei jedem Fest wurde die Stimmung immer ausgelassener und die Jagd immer mehr ausgeschmückt. Es wurde gelacht, sich auf die Schulter geklopft und einige Tanzten freudig zur Musik der Barden.

Freya trank, lauschte und erzählte selbst, bis sie von Fandral zum Tanz aufgefordert wurde. Odur hatte sich inzwischen mal hier und dort niedergelassen um Geschichten von früheren Jagden und Kämpfen zu hören. Thor hatte sich inzwischen mit Volstagg um den Verstand getrunken und grölte mit ihm ein Lied, während Sif und Hogun die Jagd noch einmal bis ins kleinste Detail erläuterten. Irgendwann wurde das Fest zu einem Gelage und immer unübersichtlicher. Je länger die Nacht wurde, desto weniger Asen waren noch beim Fest und immer mehr zogen sich zurück..

Irgendwann wurde Freya müde und verabschiedete sich von ihren Freunden. Mit einem leichten Schwips wandelte Freya gutgelaunt durch die Gänge des Palastes zu ihren Gemächern. Dort angelangt fiel sie in ihr Bett, flüsterte kichernd „Mökkurkalfi“, und war auch schon eingeschlafen.

Der nächste Morgen war einfach grauenhaft für Freya. Ihre Kammerzofen hatten sie mit fröhlichen Stimmen geweckt, gebadet und sie vor den Ankleidespiegel gestellt. Eigentlich war Freya selten schlechter Laune, aber das fröhliche Geplapper der jungen Frauen zerrte an ihren Nerven.

Mit ausgebreiteten Armen stand Freya vor dem Spiegel während die Zofen das mit Gold bestickte Korsett strammzogen, damit das hellgrüne Kleid nicht ständig herunterrutschte. Im Stillen versprach sich Freya nie wieder so viel zu trinken und schloss die Augen um ihr Kopfweh zu mindern.

„Ich hörte Ihr hattet Spaß bei der Jagd vorgestern?“, fragte eine der Zofen interessiert und die Zofe die Freya Brisingamen um den Hals legte fügte sehnsüchtig hinzu: „Ich wünschte mir würde so etwas auch passieren.“ Freya horchte auf und fragte: „Von was redet ihr?“

Die Zofen sahen sich alarmiert an und eine von ihnen lächelte sie beruhigend an. „Wir reden von dem Fang natürlich!“ Freya nickte langsam und sah die Zofen neugierig an. Irgendwie beschlich sie das Gefühl, dass die Zofen ganz und gar nicht den Fang meinten, mit dem sie sowieso nichts zu tun gehabt hatte. Dennoch fragte sie nicht weiter.

Beim Frühstück, welches sie alleine mit ihrer Tante und ihrem Onkel einnahm – Thor und Loki waren schon sehr früh auf und nahmen an Übungskämpfen teil – bemerkte Freya zufällig, dass ein Diener mit einer Magd tuschelte. Als dieser bemerkte, dass er von Freya beobachtet wurde, zuckte er kurz zusammen und ging eilig davon.

Es war nichts Neues für Freya, dass das Palastpersonal tratschte und nach einem Gelage gab es meist Unmengen an Neuigkeiten die es zu erzählen gab. Manchmal hatte auch Freya ihren Spaß an den Geschichten. Sie fragte sich was diesmal gemunkelt wurde.

Nachdenklich wanderte Freya durch die Gänge des Palastes, bis sie bei ihrem Rosengarten angelangt war. Dort hörte sie plötzlich zwei aufgeregte Frauenstimmen wie sie miteinander tuschelten. Neugierig was denn erzählt wurde, blieb Freya stehen wo sie war und lauschte.

„Wenn ich es dir doch sage, Prinz Odur hat mir gestern auf dem Fest selbst berichtet, dass die Prinzessin ihn verführt hat“, die Frau hielt inne, während die andere ein ungläubiges „Nein!“ vernehmen ließ, dann fügte die erste noch hinzu „Wobei er schon angetrunken war, sonst hätte er es vielleicht nicht erzählt.“ Die zweite glaubte ihr trotzdem nicht, denn sie sagte: „Das hat mir Tyr auch erzählt. Er meinte aber, dass der Prinz ihm erzählt habe, dass er die Prinzessin auf der Lichtung verführt haben soll. Ich glaube ihm das mehr.“

Freya war zur Salzsäule erstarrt, während die beiden Frauen ihren Weg durch den Rosengarten fortsetzten und darüber spekulierten was nun die Wahrheit war und ob sie Freya so etwas zutrauten. Ihr wurde vom gehörten nur noch übler und sie fürchtete, dass sie den Boden unter ihren Füßen verlor.


***Kapitel 9***

 

Thor spornte seinen Bruder lauthals an Fandral endlich einmal anzugreifen, während Sif, Hogun und Volstagg Fandral anwiesen Loki einen Kopf kürzer zu machen. Die beiden belauerten einander seit einer gefühlten Ewigkeit, bis es Fandral nicht mehr aushielt und mit geschwungenem Schwert auf Loki zu rannte.

Thor ahnte was geschehen würde und stöhnte ein einsichtiges „Oh Nein“. Doch seine Befürchtung bezüglich Lokis Erscheinung bewahrheitete sich nicht.

Er löste sich nicht in Luft auf, sondern sprang leichtfüßig etwas zur Seite, worauf das Schwert Fandrals knapp an ihm vorbeisegelte. Während Fandral hinter seinem Schwert her stolperte und um sein Gleichgewicht bemüht war, wandte sich Loki blitzschnell herum und rammte seinen Ellbogen in den Rücken Fandrals, der nun endgültig zu Boden ging. Alle viere von sich gestreckt lag sein Schwert, das er vor Schreck losgelassen hatte, außer Reichweite und erklärte damit Loki zum Sieger.

Dieser stand breitbeinig und mit einem breiten Grinsen über Fandral, der sich herumdrehte und zu ihm hochsah. „Du hast gewonnen“, stellte Fandral enttäuscht fest und Loki antwortete: „Ich weiß.“

Bevor Loki überhaupt daran denken konnte Fandral auf die Füße zu helfen, ertönte ein wütender Schrei und Loki sah nach rechts in die Richtung aus der der Schrei gekommen war.

Er konnte nur noch die Arme hochreisen, als sich wehender, hellgrüner Stoff im gestreckten Galopp auf ihn stürzte und zu Boden warf. Fandral war ebenso verwirrt wie die restlichen Freunde am Rand des Trainingsfeldes und rappelte sich mühsam auf. Bis dahin waren auch die anderen hergerannt. „Was zum Donnerwetter..“ setzte Thor an, als er neben Fandral zum Stehen kam.

Loki lag auf dem Rücken und versuchte sich so gut er konnte zu verteidigen, während Freya wie eine Furie auf ihm saß und ihn immer wieder schlug so fest sie nur konnte. „Das ist alles deine Schuld du mieser kleiner Ränkeschmied!“ rief Freya mit wutverzerrter Stimme und landete einen Schlag mitten auf Lokis Nase, die verdächtig knackte. Blut sprieß heraus und er stöhnte auf.

Freya hielt für eine Sekunde inne, wollte ihn aber gleich wieder bearbeiten, als sich Loki die eine Sekunde zu Nutze machte. Er packte ihre Handgelenke so schnell er konnte und hielt sie auf Abstand. Da kam ihm Thor zu Hilfe und packte Freya unter den Armen, um sie auf die Füße und weg von Loki zu ziehen.

Ohne Unterlass rief sie, dass sie wisse dass er das gewesen sei und was er sich dabei gedacht habe und weitere Dinge die für Thor keinen Sinn ergaben. Loki rappelte sich auf und hielt sich seine blutende Nase.

„Jetzt beruhige dich endlich Freya!“ rief Thor und umfasste ihre Arme so kräftig es ging, bis sie ihren Wiederstand aufgab und vor Schmerz kurz wimmerte. Loki sah Freya wütend an und erklärte so ruhig er konnte, dass er keine Ahnung hatte von was sie da brabbelte.

Freya riss sich von Thor los und brüllte: „Das weißt du ganz genau!“ Loki wollte antworten, aber Thor mischte sich in den Streit und verlangte zu wissen um was es eigentlich ging. Mit einem hasserfüllten glitzern in den Augen, wandte sich Freya von Loki ab.

„Loki hat gestern Nacht die Gestalt von Prinz Odur angenommen und hat jedem der es hören wollte erzählt, dass etwas zwischen uns auf der Jagd geschehen wäre“, erklärte Freya ihrem älteren Cousin und ihren Freunden traurig. Volstagg runzelte mit der Stirn und fragte: „Dass etwas zwischen dir und Loki passiert ist?“ Freya verzog angewidert das Gesicht und stellte richtig: „Nein! Das Odur mich verführt habe! Das hat er herumerzählt.“ Sif setzte ein nachdenkliches Gesicht auf und ihre Augen wanderten zu dem stummen Prinzen, der sich noch immer seine blutende Nase hielt.

„Woher willst du wissen, dass Loki das erzählt hat und nicht Odur selbst?“, fragte Hogun berechtigterweise und Freya sah ihn so an als wäre er verrückt. „Weil diese Tat nach einem Streich Lokis stinkt, außerdem hat er selbst zugegeben, dass er es war“, Freya stockte und fügte schnell hinzu: „Mehr oder weniger.“

„Nicht so ungenau, hat er es dir nun gesagt oder nicht?“, verlangte Thor zu wissen. Freya seufzte und berichtete den anderen wie Loki das fremdartige Wesen nach der Jagd genannt hatte und das er diesen Namen aus einem Buch habe. Aus einer Geschichte von einem kühnen Helden, der eine schöne Maid heiraten will, die jedoch von einem hässlichen Schwarzalfen begehrt wird. Als letzterer erkennt, dass die Maid ihn niemals erwählen wird, sucht er Rat bei einem Weißen aber seltsam aussehenden Vogel namens Mökkurkalfi. Dieser verleiht ihm die Fähigkeit sich in den Helden zu verwandeln und so verbreitet er Lügen über das Paar, bis die beiden den Tod durch die Dorfbewohner finden.

Freya beendete ihre knappe Ausführung der Geschichte und erklärte „Sehr ihr? Loki wusste, dass Mökkurkalfi ein seltsamer Vogel war und das beweist er kennt diese Geschichte. Und ihr wisst doch alle genau, dass Loki Magie beherrscht. Es wäre für ihn ein leichtes andere zu manipulieren!“

Loki blieb weiterhin stumm und wartete nur ab, während alle anderen Freya betroffen ansahen. „Was!?“ begehrte Freya zu erfahren.

Sif räusperte sich als erste. „Loki hat sich mit Volstagg und Thor beim Mettrinken gemessen und ist als erster umgefallen. Er hatte so viel getrunken, dass wir schon um sein Leben bangten und ließen ihn in seine Gemächer bringen“, erzählte Sif. Freya schluckte, rief aber trotzdem: „So ein Blödsinn! Loki würde doch niemals bei etwas so stumpfsinnigen mitmachen! Das hat er nur gemacht damit ihr denkt er würde schlafen, aber in Wirklichkeit ist er zurückgekommen.“

Freya sah hilfesuchend zu Thor, der seinerseits über ihre Worte nachdachte und zu Loki sah. Ungerührt wartete Loki auf das Urteil der anderen und zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Dann gibt es nur einen Weg die Wahrheit herauszufinden!“, stellte Fandral fest und alle sahen ihn fragend an.


*** Kapitel 10***

 

Prinz Odur staunte nicht schlecht als die Truppe um Freya in den Stall auf ihn zukam. Er war gerade dabei gewesen mit einem seiner vertrauten Diener die Pferde zu satteln um durch die Felder und Wiesen Asgards zu reiten.

Er ließ von seinem Sattel ab und wollte auf die eintreffende Gruppe zugehen, als Thor seinen Hammer auf ihn richtete und mit grollender Stimme drohte: „Ihr! Sagt uns die Wahrheit oder ich schwöre ich werde Euch ungespitzt in den Boden schlagen!“

Odur erfror in der Bewegung und starrte Thor verwirrt an. Dann glitt sein Blick über die schräg hinter diesem stehende Freya, die aussah als würde sie sich bald übergeben, sowie über alle anderen die hinter Thor in Stellung gegangen waren. Jeder von ihnen sah ihn abwartend aber auch drohend zugleich an, bis Odurs Blick auf Loki fiel. Dieser war als letzter in der Gruppe hereingekommen und blieb auch so weit wie möglich von eben dieser Gruppe entfernt stehen und hielt sich seine übel zugerichtete Nase. Diese blutete zwar nicht mehr, trotzdem war sie noch immer blutverschmiert und sah äußerst schmerzhaft aus. Loki erwiderte Odurs Blick emotionslos.

„Ich verstehe nicht ganz“, stammelte Odur und richtete nervös seinen Blick auf den Hammer, den Thor noch immer drohend vor Odurs Gesicht hielt. Sif stemmte die Hände in ihre Hüfte und trat an Thors Seite. „Habt Ihr gestern Abend herumerzählt, dass Ihr Prinzessin Freya im Wald verführt habt? Ja oder nein?“, verlangte sie mit gebieterischer Stimme zu wissen.

Odur fiel vor Schreck sein Mund auf und er stammelte „Ich habe…? Ich soll…“, er verstummte und sah für einen kurzen Moment zu Loki, dessen Mine noch immer nichts verriet. Dann straffte Odur seine Schultern und erklärte mit hocherhobenem Kopf und mit kräftiger Stimme: „Ja, das habe ich.“

Die Gruppe schien ihre Befürchtungen bestätigt zu bekommen, denn sie entspannten sich ein wenig, wohingegen Freya die Augen verdrehte so als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Thor zitterte als einziger vor Wut und Odur fürchtete schon es wäre um ihn geschehen, als Freya mit tonloser, kalter Stimme verkündete: „Geht Prinz Odur. Verschwindet aus Asgard und lasst Euch hier nie mehr sehen.“ Mit zittrigen Schritten ging sie um Thor herum und baute sich vor Odur zu voller Größe auf. „Wenn Ihr mir jemals wieder unter die Augen tretet, dann schwöre ich bei allem was mir lieb und heilig ist, dass ich Euch eigenhändig erwürgen werde!“, drohte sie noch immer unterkühlt aber ein leichtes zittern schwang in ihrer Stimme mit.

Da Odur keine Anstalten machte zu gehen, sondern gerade zu einer Erklärung ansetzen wollte, brüllte Thor aus Leibeskräften: „Verschwinde!!“

Nun erkannte Odur, dass er nur wenige Sekunden davon entfernt war sein Leben für immer zu verwirken und er verneigte sich ergeben und verließ den Stall so schnell er konnte. Sein Diener folgte ihm eilends nach.

Thor ließ seinen Hammer sinken und sah Freya, die etwas weiter vor ihm stand und ihm den Rücken zugewandt hatte an. Er wollte etwas sagen doch ihm wurde gewahr, dass ihre Schultern zitterten, so als würde sie weinen.

Plötzlich durchbrach Loki sein selbstauferlegtes Schweigen: „Da jetzt alles geklärt ist, gehe ich zum Palastheiler.“ Alle außer Freya wandten sich ihm um und schienen nach Worten zu ringen um sich bei ihm zu entschuldigen, aber Loki blitze sie nur kurz an und meinte dann spöttisch: „Wenn ihr mich entschuldigen würdet?“ Mit einem kurzen verneigen wandte er sich von der Gruppe ab und ging hoch erhobenen Hauptes aus dem Stall.

Fandral pfiff kurz durch seine Zähne und meinte überrascht: „Ich hätte nie gedacht, dass Loki mal nicht der Übeltäter ist.“ Hogun stimmte ihm zu „Ja, ich hatte schon erwartet, dass er derjenige gewesen war.“

Sif bedeutete den beiden zu schweigen und gab ihnen allen ein Zeichen, Thor und Freya alleine zu lassen, was sie auch taten.

Thor wusste nicht was er sagen sollte als er mit seiner Cousine alleine war und meinte nur beiläufig: „Du solltest dich bei Gelegenheit bei Loki entschuldigen. Vor allem für die gebrochene Nase, meine ich.“ Freya reagierte nicht darauf sondern ihre Schultern zitterten noch immer. Thor wollte eine Hand auf ihre Schulter legen um sie zu trösten. „Na, na, weine doch nicht wegen diesem Dummkopf von Prinzen“, munterte er sie auf, als sie sich plötzlich zu ihm umdrehte.

Thor zog seine Hand wieder zurück als er ihren Blick sah. „Weinen? Wegen dem? Gerade noch!“, rief sie aufgebracht. Er erkannte, dass ihre Schultern vor Wut, Freude und Erleichterung zugleich gezittert hatten. Verwirrt sah er sie an, als sie ihm erklärte: „Ich hatte am Tag der Jagd schon so ein komisches Gefühl mit ihm. Ich wollte nicht mit ihm alleine sein weil er so seltsam war, aber als es dann soweit war hatte ich schon Angst, dass er etwas Dummes tun würde.“ Sie lachte erbittert auf und mit verschränkten Armen erzählte sie Thor: „Er muss enttäuscht gewesen sein als ich ihm nicht die Chance gegeben habe mein Herz zu erobern und dann hat er diese Geschichten erzählt.“

Thor verstand ihre Reaktion noch immer nicht und laut fragte er durcheinander: „Ich dachte du liebst ihn und du wärest wütend dass er dein Vertrauen missbraucht hat.“ Freya sah ihn ungläubig an. „Ich soll ihn lieben? Er hat die ganze Zeit in meiner Nähe zugebracht und versuchte ständig etwas ach so tolles von sich zu erzählen. Er hat nicht einmal nach meinem Befinden gefragt!“, spie Freya aus. „Er war mir lästig.“

Thor blinzelte überrascht mit den Augen und fragte dann: „Und warum hast du so auf Loki eingeschlagen? Immerhin hätte er doch Odur so loswerden können, wenn er tatsächlich einen Streich gespielt hätte. Warum warst du so wütend auf ihn?“

Freya ließ ihre verschränkten Arme wieder sinken und ihr Gesicht entspannte sich ein wenig. „Ich war wütend wegen der Geschichten die man sich über mich erzählt hat. Sie waren nicht wahr und führten nur dazu, dass jetzt alle glauben ich wäre keine Jungfrau mehr!“, erklärte sie ehrlich. „Ich dachte das wäre offensichtlich gewesen“, stellte Freya überrascht darüber fest, dass sie sich wohl geirrt hatte.

Thor sah sie nur an und lachte dann dröhnend. Während er der schief grinsenden Freya einen Arm um die Schultern legte und mit ihr zurück in den Palast schritt, erklärte er: „Das sollest du Loki besser nicht wissen lassen Noch denkt er, dass du wütend auf ihn warst weil du Odur liebst. Damit wird er ein schlechtes Gewissen haben obwohl er nichts getan hat. Aber wenn er erfährt, dass du ihn verhauen hast nur weil Gerüchte über dich erzählt wurden, wird er sich einen Streich ausdenken um dir das heimzuzahlen.“


***Kapitel 11***

 

Später an diesem Tag lungerte der geheilte Loki in der Bibliothek an einem der drei großen Fenster. Vor ihm auf seinen Knien lag eine Schriftrolle, die er gerade versuchte zu entziffern, als eine der Bibliotheksflügel aufschwang.

Eigentlich hatte Loki Freya erwartet, aber stattdessen schritt Prinz Odur auf ihn zu. Während Loki die Schriftrolle beiseitelegte, aufstand und sich fragte warum der Prinz noch immer in Asgard war, bemerkte er, dass dieser bereits seine Reisegewänder trug. Drei Schritte vor Loki kam der Prinz zum Stehen.

„Man hat mir gesagt, dass ich Euch hier antreffen würde Prinz“, erklärte Odur, streckte das letzte Wort ein wenig sin die Länge sodass es sich lächerlich anhörte und warf angewidert einen Blick durch die Bibliothek. Loki verdrehte die Augen, fasste sich jedoch gleich wieder und fragte emotionslos: „Was wollt Ihr von mir?“

Odur lächelte gnädig ob der gespielten Unwissenheit und meinte: „Ich wollte Euch noch etwas sagen bevor ich wieder nach Wanenheim zurückkehre.“ Er verbeugte sich leicht vor Loki und sagte: „Ihr habt gut gespielt.“

Loki blieb regungslos und sah Odur abwartend an. Dieser richtete sich wieder auf und erklärte freimütig: „Ich weiß nicht wie Ihr das angestellt habt, dass Ihr von den Dienern als meine Wenigkeit erkannt wurdet, aber ich weiß genau, dass Ihr die Gerüchte erzählt habt.“

Da Loki noch immer keine Reaktion zeigte sondern lediglich seine Lippen ein wenig dünner zu werden schienen, schlenderte Odur ein wenig hin und her. Mit dem Finger über die staubigen Runenbücher wandernd erklärte er unterdessen: „Ich weiß auch nicht wie Ihr herausgefunden habt, dass ich mit einer der Kammerzofen von Freya angebandelt habe, aber ich nehme an für jemanden mit Euren Talenten ist so etwas eine Leichtigkeit.“

Odurs Augen ruhten auf dem Titel eines der Bücher, wodurch er Lokis überraschten Blick nicht gewahr wurde. Dieser bemerkte, dass er mit offenem Mund Prinz Odur anstarrte und riss sich augenblicklich wieder zusammen. Als Odur wieder aufsah, zierte Lokis Mine wieder die undurchdringliche Maske. „Darum habt Ihr Thors Anschuldigung nicht geleugnet“, stellte Loki trocken fest.

Dieser lachte kalt auf und meinte: „Natürlich nicht! Wie hätte ich beweisen können, dass ich die Gerüchte nicht erzählt habe, ohne mein Liebesabenteuer aufzudecken? Ich war beim Büfett schwer beschäftigt.“

Er nickte knapp in Lokis Richtung. „Darum wollte ich Euch sagen, dass Ihr Euer Ziel erreicht habt. Ich verlasse Asgard und werde Freya nie wieder aufsuchen“, räumte er leichthin ein und wollte sich zum Gehen wenden. Doch er blieb auf halber Drehung stehen und warf noch einmal einen Blick zu Loki zurück. „Aber glaubt Ihr wirklich Ihr wärt die bessere Wahl für Freya?“, gab er verächtlich zu bedenken. Loki war davon so überrascht, dass sein Mund sich leicht vor Erstaunen öffnete.

Damit hatte Loki ganz sicher nicht gerechnet und Odur war erfreut, dass er es doch noch geschafft hatte aus dem jüngsten Asgardischen Prinzen eine Reaktion herauszulocken.

„Ich wusste um Eure Missgunst seit dem Tag als ich die Audienz beim Allvater hatte. Keiner außer Euch hätte mich am liebsten sofort niedergestreckt so sehr habt Ihr vor Zorn gezittert“, berichtete Odur genüsslich um noch mehr in der Wunde zu stochern. „Ihr dachtet dass Ihr euch verstellen könntet? Von wegen, ich konnte Euren Hass regelrecht in der Luft spüren als ich Freya auf der Lichtung geküsst habe“, berichtete Odur weiter und wandte sich wieder ganz Loki zu. Offensichtlich war er auf den Geschmack gekommen, während Loki seinen Mund wieder geschlossen hatte. Er presste die Lippen so fest zusammen, dass sie nicht viel mehr als einen Strich ergaben.

„Das war eine Herausforderung und Ihr habt angenommen und mich erfolgreich verjagt. Freya gehört Euch“, erklärte er sorglos und zuckte wegwerfend mit seiner Schulter. Loki hatte wieder zu seinem beherrschten Selbst zurückgefunden und daher wollte Odur nun nicht weiter sticheln.

Er wandte sich nun endgültig ab und warf beim davongehen noch über die Schulter: „Sie ist sowieso nicht mein Typ. Ein solch verkrampftes, sprödes Mädchen habe ich noch niemals geküsst. Es hätte mich eine Ewigkeit gebraucht sie ins Bett zu kriegen und dann hätte es sich noch nicht einmal gelohnt.“

Loki rissen die Geduldsfäden und der sonst so berechnende Listenreiche jagte dem davongehenden Prinzen einen Zauber hinterher, der ihn schwer am Rücken traf und ihn kurz taumeln lies. Loki ging federnden Schrittes und mit einem überheblichen lächeln an dem vornübergebeugt und überrascht dreinschauenden Odur vorbei. „Damit Ihr Asgard nie vergesst“, erklärte Loki boshaft und patschte dem fragend dreinsehenden Odur auf den Rücken. Kurz bevor Loki durch die Türe verschwand, erklärte er: „Eine unheilbare, ansteckende Geschlechtskrankheit wird Euch lehren mit den Gefühlen der Mädchen vorsichtiger umzugehen.“ Damit verschwand der Schurke hinterhältig lachend.


***Kapitel 12***

 

Als Odur mit seiner Gefolgschaft Asgard verließ, waren lediglich der Allvater und Heimdall anwesend um dem Prinzen eine gute Reise zu wünschen. Obwohl Heimdall alles sehr genau mitbekommen hatte und wusste warum der Prinz so überstürzt abreiste, tat er – sowie der Allvater – so als wüssten sie von nichts. Beide wunderten sich lediglich warum Odur sich so seltsam bewegte und immer wieder unmerklich zwischen seine Beine greifen wollte.

Freya hatte von einem der Balkons des Palasts aus zugesehen, wie das Regenbogenlicht des Bifrösts in die Nacht hinein aufleuchtete und atmete erleichtert aus. Odur war endgültig aus ihrem Leben verschwunden und es würde nicht lange dauern bis sie den widerlichen Kuss von der Lichtung vergessen haben würde.

Mit Schrecken dachte sie noch daran wie er sie überraschend geküsst hatte und dabei versucht hatte sogar ihren Mund für seine Zunge zu öffnen. Obwohl sie ihren Kopf wegziehen wollte, hatte er sie am Kinn festgehalten, bis sie sich von ihm abstoßen musste um von ihm wegzukommen. Freya schüttelte sich bei dem Gedanken, dass sie erst kurz zuvor seinen Oberkörper verstohlen gemustert hatte. Sie erkannte nun, dass er nur vorgehabt hatte sie herumzukriegen.

Sie stieß sich vom Balkongeländer ab und ging zurück in den Palast. Es gab nur noch eine Sache die sie erledigen musste um in Ruhe schlafen zu können. Darum ging sie geradewegs in die Bibliothek.

Doch dort angelangt, fand sie Loki nicht. Also versuchte sie es bei den Übungskampfplätzen, doch der Platz war verwaist. Schließlich suchte sie Thor und ihre gemeinsamen Freunde, doch auch bei diesen war Loki nicht anzutreffen. Mit dem spöttischen Rat Fandrals, sie solle doch in der Bibliothek nachsehen, verließ Freya die Gruppe und suchte Lokis Gemächer auf. Er konnte nur noch dort sein.

Tatsächlich, nachdem sie seine Schlafzimmertüre etwas geöffnet hatte, sah sie im schwach beleuchteten Zimmer wie er über ein paar Schriftrollen gebeugt dastand, die auf dem Boden um ihn herum lagen. Das wenige Licht, dass den dunklen Raum erhellte, stammte von zwei Fackeln auf seinem Schreibtisch, die grünes Feuer trugen. Im Dämmerlicht konnte Freya nur die Konturen der Möbel in seinem Zimmer erkennen. Und die wenigen Gegenstände die sie in den Regalen erkennen konnte, ließen ihre Nackenhaare zu Berge stehen.

Sie wollte sich bemerkbar machen und um Eintritt bitten, als Loki ohne aufzusehen sagte: „Es ist nicht sehr höflich ohne zu klopfen eine Schlafzimmertüre zu öffnen, Freya.“ In seinem Ton schwang Spott mit, der Freya nicht entgangen war. Sie seufzte auf – egal was sie tat, sie konnte sich niemals unbemerkt an Loki heranschleichen -  und trat unerlaubt ein. Zwar sah er mit gerunzelter Stirn auf, sagte jedoch nichts dazu.

„Ich wollte mich erkundigen wie es deiner Nase geht“, setzte Freya an und erstarb. Lokis Nase war so gerade geschwungen wie eh und je und weder eine Rötung noch eine Schwellung verriet, dass sie noch heute Morgen gebrochen wurde.

„Oh, wie ich sehe hat der Heiler seinen Job gut gemacht“, meinte Freya überrascht, worauf Loki nur geringschätzig schnaubte. „Dieser Stümper hat kaum etwas ausrichten können. Wenn ich nicht selbst Hand angelegt hätte, dann würde ich jetzt so einen Zinken im Gesicht tragen wie Thor“, stellte Loki unterkühlt richtig. „Enttäuscht?“, fragte er hämisch und ließ mit einer eleganten Bewegung seiner langen Finger die Schriftrollen zu seinen Füßen geordnet auf seinen völlig überladenen Schreibtisch fliegen.

„Wie soll aus dir jemals ein gefürchteter Krieger werden wenn du deine Narben sofort wieder verschwinden lässt?“, fragte Freya stichelnd und bemerkte mit einem kitzeln im Nacken, dass die Türe hinter ihr von alleine ins Schloss gefallen war. Loki ergriff ein Buch und wandte sich von ihr ab um es in das Regal zu stellen. „Das war keine Kriegsverletzung und ich bezweifle, dass ein entstelltes Gesicht hilfreich dabei sein kann seine Feinde in die Flucht zu schlagen“, erklärte er ungerührt. „Sieh dir Thor an, seine gebrochene Nase lässt ihn eher wie einen Volltrottel erscheinen als einen gefürchteten Krieger“, sagte Loki und betonte die letzten beiden Worte gekünstelt, während er sich ihr wieder zuwandte. „Was willst du noch?“

Freya erinnerte sich wieder warum sie gekommen war und legte ihre verschlungenen Hände vor sich in ihren Schoß, während sie Loki scheu lächelnd ansah. „Ich wollte dich um Verzeihung bitten.“

Loki nickte verstehend mit dem Kopf auf. „Ah, ich verstehe“, begann er, wanderte zu einem Stuhl und ließ sich darauf nieder. Mit einem gefälligen Wink erklärte er: „Nur zu.“

Freya runzelte unwillig die Stirn. Er hatte offensichtlich vor diese Sache so sehr auszukosten wie er konnte. Er würde sie im Staub kriechen lassen wenn sie sich nicht vorsah. „Loki, ich meine es ernst“, fing sie an, als Loki sie unterbrach: „Oh, aber ich auch.“ Dabei legte er eine Hand kurz auf sein Herz, bevor er beide Hände auf der Stuhllehne ablegte. „Was erwartest du von mir?“, ächzte Freya genervt auf. „Dass du dich entschuldigst“, erklärte Loki amüsiert, jedoch mit ernstem Blick.

„Entschuldigung“, antwortete Freya knapp.

Loki lächelte kurz und zuckte skeptisch mit dem Kopf. „Das reicht nicht“, stellte Loki trocken fest. „Ich weiß“, seufzte Freya auf und verdrehte die Augen. Sie hatte doch gewusst, dass sie für die gebrochene Nase bezahlen würde, daher fragte sie matt: „Was soll ich tun?“

 


***Kapitel 13***

 

Mit einem Ruck kam Freya zum Stehen, deren Augen von Loki verbunden worden waren.

Dieser hatte ihren linken Arm ergriffen und sie geführt, als sich plötzlich ein ziehendes Gefühl in Freyas Magen breitmachte. So als hätte sie einen Fischhaken verschluckt und es zog jemand an ihren Eingeweiden. Da Loki ihren Arm nicht losgelassen hatte, vertraute sie darauf, dass das Gefühl nicht gefährlich war, bis es urplötzlich aufgehört hatte und er anhielt. Dann nahm er ihr die Augenbinde ab und sie sah sich um.

Sie erkannte vor sich im blauen Vollmondlicht den dunklen Wald von Muspelheim. Sie staunte nicht schlecht, während sie nach oben in den Himmel sah wo sie den Bifröst und Heimdall vermutete.

Nachdem Freya Loki in seinen Gemächern gefragt hatte was sie tun solle damit er ihr vergab, verlangte er von ihr, dass sie mit ihm jagen ging. Obwohl sie ihm nachgab, fragte sie ihn nach dem Grund warum ausgerechnet das. Da berichtete Loki von dem seltsamen, glasschuppigen Froschwesen aus dem See, das er erlegen wollte um es genauer zu betrachten.

Freya war ebenso interessiert an diesem Wesen, trotzdem gab sie zu bedenken, dass der Allvater dieser Jagd niemals zustimmen würde. Ganz zu schweigen von der Tatsache dass die ungesehen an Heimdall vorbei mussten und das war praktisch nicht mehr möglich.

Loki hatte ihr versichert, dass er Wege nach Muspelheim kannte ohne am Wächter vorbei zu müssen. Allerdings verlangte er von ihr, dass sie ihre Augen verband, da er nicht wollte was sie auf diesen geheimen Pfaden alles sehen würde.

So kam es schließlich, dass die beiden in voller Jagdmontur den Weg durch den Wald zur Lichtung mit dem See suchten. Freya war sich nicht sicher woher Loki von dem Wesen und der Lichtung wusste, aber da er diese geheimen Pfade zwischen den neun Welten kannte, vermutete sie einfach dass er schon viel früher hier gewesen war.

Die Lichtung war bei Vollmond ebenso schön anzusehen wie bei Tag. Freya fand sogar, dass der See im blauen Licht des Vollmonds magischer aussah und eine bezaubernde Wirkung auf sie hatte.

Loki huschte zum Rand des Sees und schritt ihn ab, während Freya sich ebenfalls näherte und da stehen blieb, wo Prinz Odur seine Stiefel und sein Wams ausgezogen hatte. Sie spähte über den Rand und sah in das kristallklare Wasser. Sie bezweifelte, dass Loki diesen See gemeint hatte, denn sie konnte ebenso wie beim letzten Mal bis zum Grund blicken. Da war nichts. „Bist du sicher, dass es hier war?“, rief Freya Loki fragend zu und verschränkte die Arme vor der Brust.

Urplötzlich erhob sich aus dem Wasser eine vier Meter hohe Kreatur, die zu der Beschreibung Lokis passte. Freya erkannte zu spät, dass sie zu nah am Rand stand und durch ihr rufen das Tier angelockt hatte. Ohne einen Muskel zu rühren sah sie in den gierigen Schlund des Wesens und konnte nicht einmal mehr schreien.

Das Monster wollte sie ebenso von Kopf bis Fuß verschlingen wie den Mökkurkalfi den Freya fangen wollte, als sie etwas von der Seite mit Schwung von den Beinen riss.

Der Boden erbebte als das Froschwesen auf das Ufer krachte ohne seine Beute im Maul versenkt zu haben.

Freya lag rücklings im Gras, etwa zehn Schritte vom benommenen Froschwesen entfernt. Schräg auf ihr lag Loki, der seine Arme aus der Umarmung löste und sich vom Boden unter ihr ab stemmte um sie mit funkelnden Augen anzuzischen: „Und du willst eine Jägerin sein?“ Er schüttelte den Kopf vor Unglauben. Freya las in seinen Augen echte Sorge und ihr Herz begann schneller zu klopfen als sie bemerkte, dass er weder Anstalten machte aufzustehen, noch seine Augen von ihr abwandte.

Das Wesen grollte vor Schmerz auf, als es zu sich kam. Dann versuchte es wieder zurück in den See zu robben. Loki sprang auf und eilte so schnell er konnte zum Froschwesen um es mit seinen Wurfmessern zu attackieren.

Freya strich sich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und rappelte sich auf. Ihr Rücken schmerzte von dem Ruck der ihren Körper erfasst hatte als Loki sie beiseite gezerrt hatte. Trotzdem biss sie die Zähne zusammen und zückte einen Stab aus einem Holster an ihrem rechten Oberschenkel. Kaum hatte sie ihre Hände um ihn geschlossen, verlängerte sich der Stab auf die Größe eines Speers. An jedem Ende erschien zusätzlich ein gebogenes Schwert. Gekonnt wirbelte Freya die doppelklinge einmal um sich herum und stürzte dann mit einem Schrei hinter Loki her auf das Monster zu.

Die beiden malträtierten das Ungetüm von zwei Seiten und versuchten es davon abzuhalten zurück ins Wasser zu kriechen. Solange es an Land lag, war es hilflos, wenn auch schwer zu töten. Die gläsernen Schuppen waren hart wie Diamanten. Schließlich kletterte Loki auf das Wesen und bearbeitete dessen Hinterkopf mit Blitzen die aus seinen Händen kamen.

„Freya, ich habe eine Schuppe abreisen können!“, rief er ihr hinunter. Sie nickte und warf Loki ihre Doppelklinge zu. Dieser fing sie gewandt in der Luft ab und rammte sie mit aller Kraft in den Schädel des Froschwesens. Es gab einen letzten Todesschrei von sich, bis es kraftlos in sich zusammensackte und sich nicht mehr bewegte.

Freya war froh, dass der Kampf endlich vorbei war, denn sie hatte sich einige Schnittwunden an Armen und Beinen eingefangen weil das Wesen so gezappelt hatte. Sobald sie eine Schuppe berührte, hatte sie sich an ihr geschnitten.

Loki zog die Klinge aus dem Kopf und wischte sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn bevor er auf dem Boden neben Freya landete.

„Geschafft“, stellte Freya erfreut fest und sah Loki grinsend an, der ihr den Speer wiedergab und sie ihn wieder auf seine ursprüngliche, harmlose Größe verkleinerte und wegsteckte. Loki besah sich die Schuppe die er dem Tier abgerissen hatte und erklärte: „Durch die Silberhaut des Tieres wirken die Schuppen wie Spiegel. Daher konnten wir es unter der Wasseroberfläche nicht sehen.“ Mit einer Handbewegung verschwand die Schuppe aus seinen Händen. Langsam ging er um den Tierkadaver herum und sprach mehr zu sich selbst: „Schade dass wir es nicht mitnehmen können. Es ist viel zu groß und zeigen können wir es sowieso niemandem. Sonst bekommen wir noch ärger von Vater.“

Da Freya nicht auf seine Überlegungen reagierte, befürchtete er schon das schlimmste. Eilig rannte er wieder an die Stelle zurück, an der er Freya zurückgelassen hatte.


***Kapitel 14***

 

Freya hatte sich inzwischen wieder an den Rand des Sees gepirscht und murmelte fast lautlos, während sie ins Wasser spähte: „Was wenn da noch mehr von denen sind?“ Loki erschien hinter ihr und meinte leichthin: „Selbst wenn, würden sie sich wohl kaum jetzt herauswagen, nachdem ihr Gefährte tot am Ufer liegt.“ Trotzdem ergriff er Freyas Arm und zog sie vom Ufer weg. Freya sah ihn dabei fragend an und er meinte: „Sicher ist sicher.“

In sicherer Entfernung zum See blieben die beiden stehen und sahen auf die Mondbeschienene Wasseroberfläche. „Danke“, sagte Freya schlicht. Loki drehte sich zu ihr und fragte überrascht: „Wofür?“

Freya drehte sich zu Loki, sodass sie sich nun gegenüberstanden. „Dafür dass du mein Leben gerettet hast“, erklärte Freya überrascht dass er es schon wieder vergessen hatte. „Wenn du nicht-“, wollte Freya ihren Satz beginnen, als sie von Loki unterbrochen wurde.

Er hatte die kurze Distanz zwischen ihnen überbrückt, lies seine Hände auf ihrer Hüfte ruhen und küsste sie. Freya war überrascht und sah Loki mit aufgerissenen Augen an, doch der hatte seine bereits geschlossen.

Die Zeit blieb für Freya stehen.

Sie fühlte die kühle Nachtluft über ihre Haut streichen, hörte das surren der Motten, das gurgeln des Wasserfalls und spürte die Wärme die Loki ihr spendete. Es war der gleiche perfekte Moment den so viele Helden am Ende eines Kampfes mit ihren Angebeteten erleben durften. Als Loki um Einlass für seine Zunge bat, gewährte Freya nur bereitwillig seinen Wunsch.

Sie wurde schon zuvor von anderen Männern geküsst, aber noch nie auf diese Weise. Der Kuss intensivierte sich ins unermessliche und Freya wusste, dass sie sich Loki hingeben würde wenn er es verlangte. Doch noch während sie das dachte, entzog sich Loki dem Kuss und vergrößerte wieder die Distanz zwischen ihnen.

Freya wollte etwas sagen, fand aber keinen Atem, noch Worte. Loki dagegen schon.

„Holde Prinzessin erhört mein Flehen, nehmt diese Bestie als Zeichen meiner unermesslichen Liebe und reicht mir Eure Hand zum Bund!“, rezitierte Loki einmal mehr gekünstelt, drehte sich auf der Stelle um sich selbst, nur um für Freya in die Knie zu gehen. Eine Hand auf seinem Herzen, die andere hinter sich ausgestreckt. Obwohl Loki sich zusammenreiste, glitzerte der Schalk in seinen grünen Augen.

Freya schnaubte genervt und gab Loki eine Kopfnuss, bevor sie sich von ihm abwandte und gehen wollte. Ihr war peinlich wozu sie von Loki getrieben worden war, der sich nur wieder lustig machte.

Dieser konnte nicht mehr anders und prustete los. Trotzdem sprang er eilig wieder auf und folgte ihr, während er in gespieltem Gebaren weiter in seiner Rolle blieb. „Geliebte Prinzessin wohin geht Ihr? Wollt Ihr dem tapferen Recken der Euer Leben rettete nicht eine Antwort geben?“ Freya stapfte ausufernden Schrittes durch den Wald und schimpfte mit Loki, der ihr folgte: „Hör endlich auf diese Sätze aufzusagen. Ich hab schon verstanden, dass du meine Lieblingsbücher in und auswendig kennst. Nur reib es mir nicht andauernd unter die Nase!“

Loki grinste, blieb aber weiterhin dramatisch. „Welch düsterer Schatten hat sich über Eure Gedanken gelegt? War nicht ich derjenige dem ihr Euer Herz am stillen Brunnenwasser schenktet?“

Freya drehte sich mit Schwung zu ihm um und begann ihm zu drohen: „Wenn du nicht sofort aufhörst, schwöre ich dass ich dir deine Nase abreisen werde. Dann möchte ich mal sehen wie du sie flickst.“ Loki blieb wie angewurzelt stehen und hörte sofort auf zu feixen. „Und wenn du davon irgendwem berichtest, wird es nicht nur deine Nase sein die ich dir abreisen werde!“, setzte sie noch hinzu.

Da Loki nicht weitermachte, war Freya zufrieden. „Gut, und jetzt bring mich nach Hause“, verlangte sie und Loki gehorchte. Er übernahm stumm die Führung und verband ihr die Augen bevor sie Muspelheim verließen.

Im Palast von Asgard angelangt, ging Freya ohne ein weiteres Wort zu ihren Gemächern.


***Kapitel 15***

 

In seinem Schlafgemach angelangt, entzündete Loki mit einem Fingerschnippen die zwei Fackeln auf seinem Schreibtisch und durchquerte den Raum zu einer Truhe. Er griff in seine Jacke und zog einen kleinen, goldenen Schlüssel hervor, mit dem er die Truhe aufschloss. Im inneren der Truhe befanden sich ein paar leere Schriftrollen, Federkiele und drei Tintenfässer. Dann schloss er die Truhe wieder, murmelte eine Zauberformel und öffnete sie wieder.

Statt der Gegenstände von eben, befanden sich nun andere Dinge in der Truhe. Ein paar goldene Haarsträhnen, eine Drachenschuppe, eine Haarschleife, eine ältere Zeichnung eines Mökkurkalfi, eine Feder vom Pegasus Æsam, Notizen zu geheimen Zauberformeln, ein parfümiertes Taschentuch und verschiedener anderer Kram den Loki über die Jahre hinweg wie einen Schatz hütete.

Er ließ die Glasschuppe des Froschmonsters erscheinen und legte sie vorsichtig dazu, dann schloss er die Truhe ab.

Seufzend sank Loki in seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch und lies den Schlüssel wieder in seiner Jacke verschwinden.

Irgendwann, das schwor er sich, irgendwann würde er ihr mit eigenen Worten sagen können was er wirklich für sie empfand. Aber bis es soweit war, würde er dafür sorgen müssen, dass sie sich nicht in den Falschen verliebte. Prinz Odur war der erste gewesen, der formell um ihre Hand angehalten hatte. Ihm würden sicher noch mehr folgen und mit ihnen auch all die Männer die den Weg zu ihrem Jawort direkt über ihr Herz suchten.

Doch vor allem musste er seine Gefühle besser in Zaum halten. Wenn schon Odur erkannt hatte wie es um sein Herz stand, musste er sich vorsehen. Er wollte nicht, dass sich zwischen ihm und Freya vor der Zeit etwas veränderte. Bevor sie beide bereit waren.


***Epilog***

In Freyas Herzen gab es auch eine Truhe, ganz ähnlich der von Loki. Es gab zwei Innenräume.

Der erste Raum war für Freya stets zugänglich und sie war sich des Inhalts immer bewusst. Dort lagerten Gefühle wie die, die sie zu ihrer Tante und ihrem Onkel hatte, aber auch Erinnerungen. Der Tod ihres älteren Bruders Freyr, wie sie das erste Reh erlegt hatte, wie sie Thor das einzige Mal im Wrestling besiegt hatte oder wie sie das erste Mal getanzt hatte. Aber auch Geschichten von ihren Lieblingshelden ruhten in diesem Raum sowie Wünsche und Hoffnungen was sie einmal werden würde.

Der zweite Raum der Truhe war dagegen gefüllt mit Gefühlen, Erinnerungen, Wünschen, Hoffnungen und Befürchtungen, die Freya zwar ebenso hütete wie einen Schatz, sich aber kaum traute anzusehen und sich derer Bewusst zu werden. Den Inhalt des zweiten Raumes verdrängte Freya vehement, weigerte sich doch gleichzeitig den Raum zu leeren und alles zu vergessen. Doch was konnte man in diesem Raum finden?

Erinnerungen und Gefühle an ihren ersten Kuss, den Geruch von schwarzem, frischgewaschenen Haar, den Preis den sie für Brisingamen zahlen musste und wollte, das Gefühl von Loki geärgert zu werden, grüne Augen die sie vom Treppenende aus bewundernd ansehen, von Loki im Wettrennen besiegt worden zu sein und das Gefühl das entsteht wenn Magie gewirkt wird.

In diesen Raum der Truhe schloss Freya die in blaues Vollmondlicht getauchte Lichtung und alles was dort geschah.







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